So bitterkalt
schlieÃlich.
»Es ist nur ein Körper«, sagt Rössel und hält ihr immer noch den Spaten hin. »Der fühlt nichts.«
»Ich kann es nicht tun.«
Nur Jan schaut zu Leo hinüber. Der Junge liegt immer noch am Rand der Grube, aber im Schein des kleinen Schutzengels sieht Jan plötzlich, dass er sich bewegt. Die Augenbinde macht ihn blind, doch womit Hanna ihn auch immer betäubt hat, allmählich wird der Kleine wach.
Doch nicht schnell genug, Jan muss Zeit gewinnen. »Hanna, Rössel kann nicht freigesprochen werden. Er hat heute Abend beim Ausbruch einen Wachmann getötet. Er hat Carl die Kehle durchgeschnitten.«
Hanna sieht schnell zu Rössel. »Ist das wahr?«
»Ich habe getan, was ich tun musste«, erwidert der. »Und jetzt bist du an der Reihe.«
Hanna rührt sich nicht, aber sie hat den Spaten noch immer in der Hand. »Ich kann nicht.«
Im Schatten auf dem Boden bewegt sich Leo nun, er ist noch nicht ganz wach, aber doch im Begriff aufzuwachen.
Ungefähr einen Meter neben Jans Bein liegt der Schutzengel, die einzige Lichtquelle auf dem Felsen. Und noch näher, direkt neben ihm, liegt sein Spaten.
Rössel seufzt. Er hat die Flasche wieder herausgeholt, nimmt einen Schluck und nickt dann. »Ich erledige das.«
Jan streckt die Hand aus und packt den Spaten.
»Ivan, wir müssen doch nicht ...«, sagt Hanna da beinahe flehend.
Aber der unterbricht sie schroff: »Ich erledige das jetzt.«
Dies ist Jans Augenblick. In einer einzigen schnellen Bewegung kommt er auf die Knie und schwingt den Spaten wie eine Keule mit beiden Händen.
»Leo!«, ruft er dem Jungen zu. »Lauf weg! Lauf!«
Hanna erkennt, was geschieht, und auch Rössel wendet den Kopf, aber Jan hat den Spaten schon erhoben.
Und jetzt ist Leo auf den Beinen.
Da schlägt Jan zu.
Das Spatenblatt knallt laut auf den Felsen, und die Lampe des Schutzengels zerbirst. Das Licht erlischt.
Die Herbstnacht breitet sich über den Felsen aus, und es wird fast stockdunkel. Nur ein schwacher Lichtschein ist jetzt noch zu sehen, er kommt von den Häusern weit dort unten.
»Lauf zum Licht, Leo!«, ruft Jan dem Jungen zu.
Die Trommeln dröhnen in Jans Kopf, es sind mehrere Schläge pro Sekunde. Jetzt wird die Zeit knapp.
Er sieht einen kleinen Schatten sich in der Dunkelheit von dem Felsen wegbewegen. Leo hat die Augenbinde abgeworfen.
»Lauf!«, ruft Jan erneut. Dann steht er auf und stützt sich dabei auf den Griff des Spatens.
»Beweg dich nicht!«, schreit Rössel.
Wie ein schwarzer Schatten steht er vor Jan, den eigenen Spaten über die Schulter geschwungen. Und dann schlägt er zu, hart wie ein Tennisspieler. Es sind mehrere feste Schläge, die Jans Spatenstiel erschüttern, und beim dritten Schlag kann er ihn nicht länger halten. Der Spaten fällt ihm aus der Hand und landet zwischen den Steinen.
Doch auch Rössels Spaten ist jetzt unbrauchbar, der Stiel ist gebrochen. Er wirft ihn weg, zieht einen kleinen Gegenstand aus der Tasche und hält ihn vor sich.
Es ist nicht das Tränengas â es ist das Rasiermesser.
»Spring«, befiehlt Rössel.
Jan weicht mit erhobenen Händen zurück, aber sein Bein schmerzt immer noch und gehorcht ihm nicht richtig. Er stolpert über einen Stein oder eine Wurzel, dem Abgrund gefährlich nahe.
Rössel verfolgt ihn mit erhobener Rasierklinge. Dann schlägt er zu, und plötzlich brennt Jans Hand und fängt an zu bluten. Er hat einen tiefen Schnitt über den Handrücken abbekommen.
Rössel erhebt die Klinge noch höher. »Spring!«
Aber Jan weicht nicht weiter zurück. Er sieht Rössels ausgestreckte Hand an, die Hand mit dem Rasiermesser, und tastet unter seinen Pullover. Natürlich hat er keine Waffe dort, aber er hat die Kabelbinder, die er Carl abgenommen hat.
Er zieht eine der Schlaufen hervor und streckt die Hand nach der Rasierklinge aus.
Rössel ist nicht schnell genug. Jan packt seine Hand und schafft es, die Schlaufe um ihre beiden Hände zu schlingen. Nun muss er nur noch zuziehen, und sein Handgelenk ist fest mit dem von Rössel verbunden. Jetzt kann Jan die Rasierklinge kontrollieren und von sich fernhalten.
Rössel keucht in der Dunkelheit, er zerrt und zieht, aber Jan gelingt es, auch seine andere Hand zu packen.
Wie ein tanzendes Paar halten sie auf dem Felsen einander an den Händen. Fliehen ist
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