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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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streckte den Arm aus, so weit es ging, griff nach einem der Geldscheine. Tastete ihn ab, ließ ihn rascheln, hielt ihn ins Licht und sah, dass er ein Wasserzeichen hatte. Der gleiche König oder wer immer das war wie auf dem Geldschein selbst. Er war echt.
    »Du machst also keine Witze.«
    »Nein.«
    Dreitausend. Ich könnte … könnte irgendwohin fahren. Irgendwohin fliegen.
    Da würden Staffan und seine Alte dumm gucken und … Tommy hatte jetzt einen klareren Kopf. Die ganze Sache war total gaga, aber okay: dreitausend Kronen. Daran ließ sich nicht rütteln. Fragte sich nur …
    »Und was willst du dafür kaufen? Dafür kannst du dir doch alles Mögliche …«
    »Blut.«
    »Blut.«
    »Ja.«
    Tommy schnaubte, schüttelte den Kopf.
    »Nein, tut mir leid. Haben wir … gerade nicht vorrätig.«
    Das Mädchen saß ganz still auf seinem Sessel und betrachtete ihn, lächelte nicht einmal.
    »Jetzt mal im Ernst«, sagte Tommy. »Was ist Sache?«
    »Du bekommst das Geld … wenn ich ein bisschen Blut bekomme.«
    »Ich hab aber keins.«
    »Doch.«
    »Nein.«
    »Doch.«
    Tommy begriff.
    Was zum Teufel …
    »Meinst du das … ernst?«
    Das Mädchen zeigte auf die Tausender.
    »Es ist nicht weiter schlimm.«
    »Aber … was denn … wie?«
    Das Mädchen steckte die Hand in das Necessaire, holte etwas heraus. Ein kleines, weißes, viereckiges Stück Plastik. Schüttelte es. Es klirrte ein wenig. Jetzt erkannte Tommy, was es war. Ein Päckchen Rasierklingen. Sie legte es auf ihren Schoß, holte noch etwas heraus. Ein hautfarbenes Rechteck. Ein großes Pflaster.
    Das ist doch lächerlich.
    »Nein, jetzt hör aber auf. Kapierst du nicht, dass … ich könnte dir das Geld doch einfach klauen, was. Es einfach in die Tasche stecken und sagen, nee, wieso? Dreitausend? Hab ich nie gesehen. Das ist viel Geld, kapierst du das nicht? Wo hast du das überhaupt her?«
    Das Mädchen schloss die Augen, seufzte. Als es die Augen wieder aufschlug, sahen sie ihn nicht mehr ganz so freundlich an.
    »Willst du nun. Oder willst du nicht?«
    Sie meint es ernst. Sie meint es verdammt nochmal ernst. Nee … nee …
    »Was jetzt, willst du wirklich irgendwie … sssittt, und dann …«
    Das Mädchen nickte eifrig.
    Sssittt? Moment mal. Moment jetzt mal … wie war das noch … Schweine …
    Er runzelte die Stirn. Der Gedanke titschte durch seinen Kopf wie ein hart geworfener Gummiball in einem Zimmer, versuchte Halt zu finden, zur Ruhe zu kommen. Und kam zur Ruhe. Er erinnerte sich wieder, riss den Mund auf, sah ihr in die Augen.
    »… nee …?«
    »Doch.«
    »Das ist doch ein Scherz, oder? Hör mal. Geh jetzt. Nein. Jetzt wirst du mal schon abhauen.«
    »Ich leide an einer Krankheit. Ich brauche Blut. Du kannst noch mehr Geld haben, wenn du möchtest.«
    Sie wühlte in dem Necessaire, suchte, holte zwei weitere Tausender heraus, legte sie auf den Fußboden. Fünftausend. »Bitte.«
    Der Mörder. Vällingby. Die Kehle durchgeschnitten. Aber verdammt nochmal … dieses Mädchen …
    »Was willst du denn damit … verdammt … du bist doch nur ein Kind, du …«
    »Hast du Angst?«
    »Nein, ich könnte doch … hast du Angst?«
    »Ja.«
    »Wovor?«
    »Davor, dass du Nein sagst.«
    »Ja aber, ich sage ja nein. Das ist doch … nee, jetzt mach mal halblang. Geh nach Hause.«
    Das Mädchen blieb regungslos auf seinem Sessel sitzen, dachte nach. Dann nickte es, stand auf, hob das Geld vom Fußboden auf, schob es in das Necessaire zurück. Tommy betrachtete den Punkt, an dem es gelegen hatte. Fünf. Tausend. Ein leises Klirren, als der Haken angehoben wurde. Tommy drehte sich auf den Rücken.
    »Aber … wie jetzt … willst du mir die Kehle aufschneiden, oder was?«
    »Nein. Nur die Armbeuge. Ein bisschen.«
    »Aber was willst du damit?«
    »Es trinken.«
    »Jetzt?«
    »Ja.«
    Tommy peilte sein Inneres an und sah die Tafel über den Blutkreislauf wie Pauspapier auf die Innenseite seiner Haut gelegt, fühlte vielleicht zum ersten Mal überhaupt in seinem Leben, dass er einen Blutkreislauf hatte. Nicht nur isolierte Punkte, Wunden, aus denen ein oder mehrere Tropfen Blut hervorquollen, sondern einen großen, pumpenden Baum aus Adern gefüllt mit … wie viel war es? … Vier, fünf Liter Blut.
    »Was ist das für eine Krankheit?«
    Das Mädchen sagte nichts, verharrte nur an der Tür, den Haken in der Hand, musterte ihn, und die Striche der Arterie und Venen an seinem Körper, die Karte, bekam auf einmal den Charakter eines … Schemas zum Zerlegen eines

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