So finster die Nacht
zerbröselte unter seinen Fingern.
Virginia hatte sich gewehrt, heftig gewehrt, als sie wieder zu Bewusstsein gekommen war und begriff, was mit ihr geschah. Sie hatte den Katheter für die Bluttransfusion herausgerissen, geschrien und getreten.
Lacke hatte den Anblick nicht ertragen können, als sie mit ihr kämpften, die Tatsache, dass sie wie verwandelt war. Er war in die Cafeteria hinuntergegangen und hatte dort einen Kaffee getrunken. Anschließend noch einen und danach noch einen. Als er sich zum dritten Mal nachschenken wollte, hatte ihn die Frau an der Kasse müde darauf hingewiesen, dass man sich eigentlich nur einmal kostenlos nachschenken durfte. Lacke hatte daraufhin erwidert, dass er pleite war, sich fühlte, als würde er morgen sterben, und sie daraufhin gefragt, ob sie nicht eine Ausnahme machen konnte?
Das konnte sie. Sie schenkte Lacke sogar ein trockenes Marzipanteilchen, »das morgen sonst sowieso in den Müll wandern würde«. Er hatte sich das Teilchen mit einem Kloß im Hals einverleibt, über die relative Güte und relative Bosheit des Menschen nachgedacht. Anschließend hatte er sich vor den Eingang gestellt und die vorletzte Zigarette aus seiner Schachtel geraucht, ehe er wieder zu Virginia hinaufgegangen war.
Sie hatten Virginia festgeschnallt.
Eine Krankenschwester hatte einen Schlag abbekommen, durch den ihre Brille zersplittert war, sodass eine Scherbe ihre Augenbraue zerschnitten hatte. Virginia war durch nichts zu beruhigen gewesen. Auf Grund ihres Allgemeinzustands hatte man nicht gewagt, ihr eine Spritze zu geben, weshalb man ihre Arme mit Lederriemen festgespannt hatte, vor allem, wie es hieß, um »sie daran zu hindern, sich selber zu verletzen«.
Lacke verrieb den Wundschorf zwischen den Fingern; ein Pulver so fein wie Pigment färbte seine Fingerspitzen rot. Aus den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung wahr; das Blut aus dem Beutel, der an einem Infusionsständer neben Virginias Bett hing, fiel tröpfchenweise in einen Plastikzylinder und anschließend weiter zu dem Katheter in Virginias Arm.
Offenbar hatten sie zunächst, nachdem sie Virginias Blutgruppe bestimmt hatten, eine Bluttransfusion durchgeführt, bei der sie eine bestimmte Menge Blut in sie hineinpumpten, aber jetzt, nachdem sich ihr Zustand stabilisiert hatte, bekam sie es nur noch tröpfchenweise verabreicht. Auf der halb vollen Blutkonserve klebte ein Etikett mit jeder Menge unverständlicher Markierungen, aus denen ein großes »A« hervorstach. Die Blutgruppe natürlich.
Aber … Moment mal …
Lacke hatte Blutgruppe B, und er erinnerte sich, dass er und Virginia einmal darüber gesprochen hatten, dass Virginia ebenfalls Blutgruppe B hatte und dass sie dem anderen deshalb … ja sicher. Genau das hatten sie gesagt. Dass sie sich gegenseitig Blut spenden konnten, weil sie die gleiche Blutgruppe hatten. Und Lacke hatte B, da war er sich vollkommen sicher.
Er stand auf, trat in den Korridor hinaus.
Solche Fehler machen die hier doch wohl nicht?
Er fand eine Krankenschwester.
»Entschuldigen Sie bitte, aber …«
Sie warf einen Blick auf seine abgetragenen Kleider, nahm eine etwas reservierte Körperhaltung ein, sagte: »Ja?«
»Ich frage mich nur, Virginia … Virginia Lindblad, die kürzlich … eingeliefert wurde …«
Die Krankenschwester nickte, sah jetzt beinahe abweisend aus, war vielleicht dabei gewesen, als sie …
»Ja also, ich frage mich nur … die Blutgruppe.«
»Was ist damit?«
»Nun, ich habe gesehen, dass auf der Blutkonserve A steht … aber das ist nicht ihre Blutgruppe.«
»Ich verstehe nicht ganz.«
»Nun … äh … haben Sie einen Moment Zeit?«
Die Krankenschwester blickte den Korridor entlang. Vielleicht wollte sie kontrollieren, ob ihr jemand zu Hilfe eilen konnte, falls die Situation außer Kontrolle geriete, vielleicht wollte sie aber auch verdeutlichen, dass sie eigentlich wichtigere Dinge zu tun hatte, begleitete Lacke aber dennoch in das Zimmer, in dem Virginia mit geschlossenen Augen lag und das Blut sachte durch den Schlauch tropfte. Lacke zeigte auf die Blutkonserve.
»Hier. Dieses A. Bedeutet es, dass …«
»Dass die Konserve Blutgruppe A enthält, ja genau. Es herrscht mittlerweile ein ungeheurer Mangel an Blutspendern. Wenn die Menschen nur wüssten, wie …«
»Entschuldigen Sie. Ja. Aber sie hat Blutgruppe B. Ist es dann nicht gefährlich, wenn …«
»Doch, das ist es.«
Die Krankenschwester war nicht direkt unhöflich, aber ihre Körperhaltung
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