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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Sie trank einen Schluck Tee, hielt sich die Teetasse vors Gesicht, als wollte sie sich dahinter verstecken, während Staffan abwartete. Als sie die Tasse auf die Untertasse zurückstellte, merkte sie, dass ihre Hände zitterten. Staffan legte seine Hand auf ihr Knie.
    »Yvonne. Du musst doch verstehen, dass …«
    »Ich habe es versprochen.«
    »Ich möchte mich mit ihm unterhalten. Entschuldige bitte, Yvonne, aber ich glaube, es ist genau diese Art von Unfähigkeit, Dinge anzupacken, wenn sie akut sind, die dazu führt … ja, dass solche Dinge passieren. Meine Erfahrungen mit jungen Menschen haben mich gelehrt, je schneller sie eine Reaktion auf ihr Verhalten bekommen, desto größer ist die Chance, dass … nimm nur mal einen Heroinabhängigen. Wenn jemand reagiert hätte, als er noch Sachen wie, sagen wir, Hasch nahm …«
    »So etwas nimmt Tommy doch nicht.«
    »Bist du da sicher?«
    Es wurde still. Yvonne wusste, mit jeder Sekunde, die vorübertickte, wurde ein »Ja« auf Staffans Frage wertloser. Tick-tick. Jetzt hatte sie bereits »Nein« geantwortet, ohne das Wort ausgesprochen zu haben. Und Tommy war zuweilen seltsam, wenn er nach Hause kam. Da war etwas mit seinen Augen. Und wenn er nun wirklich …
    Staffan lehnte sich auf der Couch zurück, wusste, dass die Schlacht gewonnen war. Jetzt wartete er nur noch auf die Vorbehalte.
    Yvonnes Augen suchten nach etwas auf dem Tisch.
    »Was ist?«
    »Meine Zigaretten, hast du sie …«
    »In der Küche. Yvonne …«
    »Ja, schon gut. Aber du darfst nicht jetzt zu ihm gehen.«
    »Gut. Das ist deine Entscheidung. Wenn du meinst …«
    »Dann morgen früh. Ehe er zur Schule geht. Versprich mir, dass du nicht jetzt hingehst.«
    »Versprochen. Und? Was ist das nun für ein mysteriöser Ort, an dem er sich aufhält?«
    Yvonne erzählte es ihm.
    Anschließend ging sie in die Küche und rauchte eine Zigarette, blies den Rauch aus dem offenen Fenster, rauchte noch eine und achtete weniger darauf, wo der Rauch landete. Als Staffan in die Küche kam, demonstrativ den Rauch mit der Hand fortwedelte und wissen wollte, wo der Kellerschlüssel war, erklärte sie, dass sie es vergessen hatte, sich morgen früh jedoch vermutlich wieder daran erinnern würde.
    Wenn er brav war.
    *
    Als Eli gegangen war, setzte Oskar sich wieder an den Küchentisch, blickte von den aufgeschlagenen Artikeln auf. Die Kopfschmerzen ließen allmählich nach, weil sich die Eindrücke zu einem Muster ordneten.
    Eli hatte ihm erklärt, dass der Typ … infiziert war. Mehr als das. Die Seuche war das Einzige in ihm, was noch lebendig war. Das Gehirn war tot, und die Seuche lenkte ihn. Zu Eli.
    Eli hatte ihn angewiesen, ihn gebeten, nichts zu unternehmen. Eli würde morgen fortgehen, sobald es dunkel wurde, und Oskar hatte daraufhin natürlich gefragt, warum nicht jetzt, diese Nacht?
    Weil es … nicht geht.
    Warum nicht? Ich kann dir helfen.
    Oskar, es geht nicht. Ich bin zu schwach.
    Wie kannst du zu schwach sein. Du hast doch …
    Ich bin es einfach.
    Und Oskar hatte begriffen, dass er die Ursache für Elis fehlende Kraft war. Das viele Blut, das im Flur vergossen worden war. Wenn der Typ Eli in die Finger bekam, war dies Oskars Schuld.
    Die Kleider!
    Oskar stand so heftig auf, dass der Stuhl nach hinten kippte und krachend auf den Boden schlug.
    Die Tüte mit Elis blutverschmierten Kleidern lag noch vor der Couch, das Hemd hing halb heraus. Er presste es in die Tüte zurück, und der Ärmel war wie ein feuchter Pilz, als er ihn tiefer hineindrückte, die Tüte zuband, und … Er hielt inne, betrachtete die Hand, mit der er das Hemd hinabgedrückt hatte.
    Die Schnittwunde in ihr hatte eine Kruste bekommen, die ein klein wenig aufgesprungen war und entblößte, was darunter lag.
    … das Blut … er wollte es nicht mit meinem vermischen … bin ich … jetzt infiziert?
    Die Tüte in der Hand, bewegten sich seine Beine rein automatisch zur Wohnungstür, wo er auf Geräusche an der Haustür lauschte. Dort war alles still, und er lief die Treppe zum Müllschlucker hinauf, öffnete die Luke. Er streckte die Tüte durch die Öffnung und hielt sie in der Dunkelheit des Schachts fest.
    Ein kalter Luftzug wehte saugend durch den Mülleinwurf, kühlte seine Hand, die regungslos den Plastikknoten der Tüte umklammerte. Die weiße Tüte setzte sich deutlich von den schwarzen, leicht unebenen Wänden des Tunnels ab. Wenn er losließ, würde die Tüte sich nicht aufwärts bewegen. Sie würde nach unten fallen. Die

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