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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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dem Alkohol im Blut.
    Sie lagen zusammen im Bett, umarmten sich. Oskar erzählte, was in der U-Bahn passiert war. Eli sagte:
    »Entschuldige. Dass ich das alles ins Rollen gebracht habe.«
    »Nein, schon gut.«
    Lange schwiegen sie. Dann fragte Eli vorsichtig:
    »Würdest du gerne … so werden wie ich?«
    »… nein. Ich würde gerne bei dir sein, aber …«
    »Nein. Natürlich willst du das nicht. Das verstehe ich doch.«
    Als es dämmerte, standen sie schließlich auf, zogen sich an. Sie standen gerade eng umschlungen im Wohnzimmer, als sie die Säge hörten. Das Schloss wurde aufgesägt.
    Sie liefen zum Balkon, sprangen über das Geländer, landeten einigermaßen weich in den Sträuchern darunter.
    In der Wohnung hörten sie jemanden sagen:
    »Was zum Teufel …«
    Sie kauerten sich unter dem Balkon zusammen. Aber die Zeit wurde knapp.
    Eli wandte Oskar das Gesicht zu, sagte:
    »Ich …«
    Schloss den Mund. Presste daraufhin einen Kuss auf Oskars Lippen.
    Oskar sah für ein paar Sekunden mit Elis Augen. Und was er sah, war … er selbst. Nur um so vieles hübscher, schöner, stärker, als er in seinen eigenen Augen war. Gesehen mit Liebe.
    Für ein paar Sekunden.
     
    Stimmen in der Nachbarwohnung.
    Ehe sie aufstanden, hatte Eli als Letztes den Zettel mit dem Morsealphabet abgerissen. Nun trampelten fremde Füße in dem Zimmer herum, in dem Eli gelegen und Nachrichten für ihn geklopft hatte.
    Oskar legte die flache Hand gegen die Wand.
    »Du …«

DIENSTAG, 10. NOVEMBER
    Oskar ging am Dienstag nicht zur Schule. Er lag in seinem Bett und lauschte den Geräuschen, die durch die Wand drangen, und fragte sich, ob die Polizisten etwas finden würden, was sie zu ihm führen konnte. Am Nachmittag wurde es still, und sie waren immer noch nicht gekommen.
    Daraufhin stand er auf, zog sich an und ging zu Elis Haus. Die Tür zur Wohnung war versiegelt. Man durfte sie nicht betreten. Während er dort stand und schaute, kam ein Polizist die Treppe herauf. Aber er war ja nur ein neugieriger Junge aus der Nachbarschaft.
    Als es dämmerte, trug er die Kartons in den Keller und deckte sie mit einem alten Teppich ab. Er würde später entscheiden, was er mit ihnen tun sollte. Wenn inzwischen ein Dieb in ihren Kellerverschlag einbrach, würde er sich mit Sicherheit freuen.
    Er saß lange im Dunkel des Kellers, dachte an Eli, Tommy, den Typen. Eli hatte ihm alles erzählt; es war nie seine Absicht gewesen, dass die Dinge sich so entwickelten.
    Aber Tommy lebte und würde wieder gesund werden. Das hatte seine Mutter Oskars Mutter erzählt. Morgen durfte er wieder nach Hause.
    Morgen.
    Morgen würde Oskar wieder zur Schule gehen.
    Zu Jonny, Tomas, zu …
    Wir werden ihn wohl wieder öfter trainieren müssen.
    Jonnys kalte, harte Finger auf seinen Wangen. Sie pressen das weiche Fleisch gegen die Kiefer, bis sein Mund wider Willen aufgezwungen wird.
    Schrei wie ein Schwein.
    Oskar faltete die Hände, lehnte sein Gesicht gegen sie, betrachtete den kleinen Hügel, den der Teppich auf den Kartons bildete. Er stand auf, zog den Teppich herab und öffnete den Karton mit dem Geld.
    Tausender, Hunderter kunterbunt durcheinander, ein paar Geldbündel. Er wühlte mit den Händen in dem Geld, bis er eine der Plastikflaschen fand. Dann ging er in die Wohnung hinauf und holte Streichhölzer.
    Ein einziger Scheinwerfer warf einen kalten, weißen Lichtschein auf den Schulhof. Außerhalb seines Lichtkegels sah man die Konturen fest montierter Spielgeräte. Die Tischtennistische, die so voller Risse waren, dass man auf ihnen nur mit Tennisbällen spielen konnte, waren von Schneematsch bedeckt.
    Im Schulgebäude waren zwei Fensterreihen hell erleuchtet. Abendkurse. Ihretwegen war auch einer der Seiteneingänge geöffnet.
    Er tastete sich durch die dunklen Gänge zu seinem Klassenzimmer, blieb eine Weile stehen und betrachtete die Pultreihen. Jetzt, am Abend, erschien ihm das Klassenzimmer unwirklich; als benutzten Gespenster es lautlos wispernd für ihren Unterricht, wie auch immer dieser aussehen mochte.
    Er ging zu Jonnys Pult, hob den Deckel an und sprühte einige Deziliter Brennspiritus hinein. Tomas’ Pult: das Gleiche. Er stand einen Augenblick vor Mickes Pult, entschied sich dagegen. Dann setzte er sich an sein eigenes Pult. Ließ den Brennspiritus eindringen. Wie man es bei Grillkohle machte.
    Ich bin ein Gespenst. Buuuh … buuuh …
    Er öffnete den Deckel des Pults, holte Feuerteufel heraus, lächelte über den Titel und steckte das Buch in

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