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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Es.
    Es hatte sich auf Virginia gestürzt und … es hatte Jocke getötet. Es. Das Wesen, das hier vor ihm lag. Das Wesen, das es wieder tun würde, anderen Menschen wieder etwas antun würde. Und das Wesen war kein Mensch. Es atmete ja nicht einmal, und dennoch schlug sein Herz wie … wie bei einem Tier im Winterschlaf.
    Denk an die anderen.
    Eine giftige Schlange, wo Menschen wohnen. Soll ich es nicht töten, nur weil es im Moment so wehrlos erscheint?
    Trotzdem war es nicht das, was ihn schließlich seine Entscheidung treffen ließ. Zu ihr fand er vielmehr, als er noch einmal das Gesicht betrachtete; das Gesicht, das von einem dünnen Film aus Blut bedeckt war und ihm auf einmal das Gefühl gab, dass es … leise lächelte.
    Über alles lächelte, was es getan hatte.
    Genug.
    Er hob das Küchenmesser über der Brust des Wesens, rückte mit den Beinen ein wenig nach hinten, um all sein Gewicht in den Stich legen zu können und –
    »AAAAHHH!«
     
    Oskar schrie.
    Der Typ zuckte nicht zusammen; sein Körper erstarrte nur, und sein Kopf wandte sich Oskar zu. Langsam sagte er: »Ich muss es tun. Verstehst du?«
    Oskar erkannte ihn. Einer von den Säufern, die an seinem Hof wohnten, er grüßte ihn manchmal.
    Warum tut er das?
    Es spielte keine Rolle. Entscheidend war, dass der Typ ein Messer in der Hand hielt, ein Messer, das direkt auf Elis Brust gerichtet war, der dort nackt, entblößt in der Badewanne lag.
    »Bitte nicht.«
    Der Kopf des Typen bewegte sich nach rechts, nach links, eher wie um etwas auf dem Fußboden zu suchen, denn um zu verneinen.
    »Nein …«
    Er wandte sich wieder der Badewanne, dem Messer zu. Oskar hätte ihm gerne erklärt, dass das in der Badewanne sein Freund war, es sein … dass er ein Geschenk für das in der Badewanne hatte, dass … dass es Eli war.
    »Warte.«
    Die Spitze des Messers ruhte erneut auf Elis Brust, so fest hinabgedrückt, dass sie fast schon die Haut punktierte. Oskar wusste im Grunde nicht, was er tat, als er die Hand in die Jackentasche schob und den Würfel herauszog, ihn dem Typen zeigte.
    »Sieh mal!«
     
    Lacke sah ihn nur aus den Augenwinkeln als ein plötzliches Eindringen von Farben inmitten all des Schwarzen, Grauen, das ihn umgab. Trotz der Blase aus Entschlossenheit, die ihn umschloss, musste er einfach den Kopf dorthin wenden und schauen, was es war.
    In der Hand des Jungen war einer dieser Würfel. Fröhliche Farben.
    Das Ding sah in dieser Umgebung total krank aus. Ein Papagei unter Krähen. Einen Moment lang war er wie hypnotisiert von der Farbenpracht des Spielzeugs, dann wandte er den Blick wieder der Badewanne zu, dem Messer, das zwischen den Rippen eindringen wollte.
    Ich muss nur … drücken …
    Ein Funkeln.
    Die Augen des Wesens standen offen.
    Er spannte die Muskeln an, um das Messer ganz hineinzustoßen, und seine Schläfe explodierte.
     
    Es knackte in dem Würfel, als seine Ecke den Kopf des Typen traf und er Oskars Hand entwunden wurde. Der Typ fiel zur Seite, landete auf einem Plastikkanister, der fortrutschte, und knallte mit einem Wummern wie von einer Basstrommel gegen den Badewannenrand.
    Eli setzte sich auf.
    In der Badezimmertür stehend, konnte Oskar nur die Rückseite seines Körpers sehen. Die Haare lagen klebrig und platt auf dem Hinterkopf, und der Rücken war eine einzige, große Wunde.
    Der Typ versuchte auf die Füße zu kommen, aber Eli fiel mehr aus der Badewanne, als dass er sprang, und landete auf seinem Schoß; ein Kind, das zu seinem Papa gekrochen kommt, um getröstet zu werden. Eli legte seine Arme um den Hals des Typen und zog seinen Kopf an sich, wie um etwas Zärtliches zu flüstern.
    Oskar wich aus dem Badezimmer zurück, als Eli sich im Hals des Typen verbiss. Eli hatte ihn nicht gesehen. Aber der Typ sah ihn. Sein Blick verharrte auf Oskar, wich nicht von ihm, während sich Oskar rückwärts in den Flur zurückzog.
    »Entschuldige.«
    Oskar war nicht fähig, einen Ton hervorzubringen, aber seine Lippen formten das Wort, ehe er um die Ecke bog und der Blickkontakt abgebrochen wurde.
    Er stand mit der Hand auf der Türklinke, als der Typ schrie. Dann verschwand das Geräusch abrupt, als wäre eine Hand auf seinen Mund gelegt worden.
    Oskar zögerte. Dann zog er die Wohnungstür zu. Und schloss ab.
    Ohne nach rechts zu schauen, ging er durch den Flur ins Wohnzimmer, setzte sich auf den Sessel und begann vor sich hinzusummen, um die Geräusche aus dem Badezimmer zu übertönen.

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