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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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beigebracht hatte, als er die Verantwortung für ihre Leibesertüchtigung von der Klassenlehrerin übernahm.
    »Eine kerade Reihä! Armlänge Abstand!«
    Lehrer Ávila war im Krieg Kampfpilot gewesen. Zwei, drei Mal hatte er die Jungen mit Geschichten von Luftkämpfen und Notlandungen in Weizenfeldern unterhalten. Sie waren beeindruckt gewesen. Man hatte Respekt vor ihm.
    Eine Klasse, die in dem Ruf stand, aufmüpfig zu sein und sich schwer bändigen zu lassen, stellte sich gehorsam im Abstand einer Armlänge voneinander auf, obwohl der Lehrer nicht einmal in Sichtweite war. Wenn die Reihe nicht seinen Wünschen entsprach, ließ er sie weitere zehn Minuten warten oder blies ein versprochenes Volleyballspiel ab und ersetzte es durch Liegestütze und Situps.
    Oskar hatte, wie die anderen auch, ziemliche Angst vor seinem Lehrer. Mit seinen kurzgeschorenen grauen Haaren und seiner Adlernase, seiner nach wie vor ausgezeichneten Kondition und seiner eisernen Faust war er kaum der geeignete Mensch, um einen schwächlichen, etwas übergewichtigen und gemobbten Jungen zu lieben oder zu verstehen. Aber in seinen Stunden herrschte strikte Disziplin. Weder Jonny, Micke noch Tomas wagten etwas zu tun, solange der Lehrer in der Nähe war.
    Jetzt trat Jonny aus der Reihe und warf einen Blick zur Schule hinauf. Anschließend machte er den Hitlergruß und sagte:
    »Kerade Reihä! Heut Brantschutzübung! Mit Seile!«
    Einige lachten nervös. Ihr Lehrer hatte eine Vorliebe für Brandschutzübungen. Einmal pro Halbjahr mussten seine Schüler trainieren, sich mit Hilfe eines Seils aus den Fenstern herunterzulassen, während ihr Lehrer die ganze Prozedur mit der Stoppuhr verfolgte. Gelang es ihnen, den bisherigen Rekord zu schlagen, durften sie in der nächsten Stunde »Die Reise nach Jerusalem« spielen. Wenn sie es sich verdient hatten.
    Jonny reihte sich schnell wieder ein. Zum Glück, denn nur wenige Sekunden später trat ihr Lehrer mit forschen Schritten aus dem Haupteingang der Schule und ging zur Sporthalle. Er sah geradeaus, würdigte die wartende Gruppe keines Blickes. Auf halbem Weg machte er eine Kommt!-Geste mit der Hand, ohne stehen zu bleiben, ohne sich ihnen zuzuwenden.
    Die Reihe setzte sich in Bewegung, stets bemüht, den Abstand von einer Armlänge möglichst beizubehalten. Tomas, der hinter Oskar ging, trat Oskar gegen die Ferse, sodass er hinten aus dem Schuh rutschte. Oskar ging weiter.
    Seit dem Vorfall mit den Peitschen vorgestern hatten sie ihn in Ruhe gelassen. Sie hatten ihn zwar nicht um Entschuldigung gebeten oder so, aber die Wunde auf seiner Wange war nicht zu übersehen, und offenkundig waren sie der Meinung, das reichte. Jedenfalls für eine Weile.
    Eli.
    Oskar krümmte die Zehen im Schuh, um ihn nicht zu verlieren, marschierte weiter Richtung Turnhalle. Wo war Eli? Oskar hatte gestern Abend am Fenster gestanden und hinausgespäht, um zu schauen, ob Elis Vater nach Hause kam. Stattdessen hatte er gegen zehn Uhr Eli aus dem Haus gehen sehen. Danach hatte es Schokolade und Zimtschnecken mit Mama gegeben, und er hatte ihre Heimkehr womöglich verpasst. Aber sie hatte seine Klopfzeichen nicht erwidert.
    Die Klasse drängte in den Umkleideraum, die Reihe löste sich auf. Lehrer Ávila erwartete sie mit verschränkten Armen.
    »Also gut. Heute Konditionstränning. Mit Reck, Kasten und Springseil.«
    Allgemeines Stöhnen. Der Lehrer nickte.
    »Wenn es gut ist, wenn ihr arbeiten, nächstes Mal wir haben Volkerball. Aber heute: Konditionstränning. Tempo!«
    Es gab keinerlei Spielraum für Diskussionen. Man konnte schon froh sein, dass Völkerball in Aussicht gestellt wurde, und die Klasse zog sich eiligst um. Oskar achtete wie üblich darauf, den anderen den Rücken zuzukehren, wenn er seine Hose auszog. Der Pinkelball ließ den Inhalt seiner Unterhose seltsam aussehen. Oben in der Turnhalle waren die anderen bereits dabei, Kästen in Position zu schieben und das Reck aufzubauen. Johan und Oskar holten gemeinsam Turnmatten. Als alles fertig war, blies der Lehrer in seine Trillerpfeife. Es gab fünf Stationen, weshalb er sie in fünf Gruppen zu zwei Personen aufteilte.
    Oskar und Staffe bildeten eine Gruppe, was gut war, weil Staffe als Einziger in der Klasse in Sport noch schlechter war als Oskar. Er war bärenstark, aber plump. Und dicker als Oskar. Dennoch ärgerte ihn niemand. Es gab etwas in Staffes Haltung, das einem sagte, wenn man sich mit ihm anlegte, würde es einem übel ergehen.
    Der Lehrer blies in

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