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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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doch Allerheiligen.«
    »Das ist übermorgen. Ja, tue ich.«
    »Tommy …«
    Sie löste seine Hände vom Geländer, drehte ihn zu sich um, umarmte ihn. Er blieb einen Moment lang steif stehen, machte sich dann frei und ging hinein.
    Während er Jacke und Schuhe anzog, fiel ihm ein, dass er Mama vom Balkon herunterlocken musste, wenn er sich die Skulptur holen wollte. Er rief nach ihr, und sie eilte vom Balkon herein, hungerte nach einem Wort von ihm.
    »Ja, also … grüß Staffan bitte von mir.«
    Mamas Miene erhellte sich.
    »Das werde ich tun. Du willst nicht bleiben?«
    »Nee, ich … das kann ja die ganze Nacht dauern.«
    »Da hast du Recht. Ich mache mir ein bisschen Sorgen.«
    »Brauchst du nicht. Er kann ja schießen. Tschüss.«
    »Tschüss …«
    Die Wohnungstür schlug zu.
    »… mein Herz.«
    *
    Ein dumpfes Krachen ertönte aus den Eingeweiden des Volvos, als Staffan ihn mit hoher Geschwindigkeit über die Bordsteinkante fuhr. Seine Kiefer knallten derart heftig zusammen, dass ihm der Kopf dröhnte. Einen Moment lang konnte er nichts sehen und hätte beinahe einen älteren Mann überfahren, der sich gerade zu der Menge der Schaulustigen gesellte, die sich um den Streifenwagen vor dem Haupteingang versammelt hatte.
    Kriminalanwärter Larsson saß im Wagen und sprach ins Funkgerät. Wahrscheinlich rief er Verstärkung oder einen Krankenwagen. Staffan parkte hinter dem Streifenwagen, um den Weg für eine eventuell anrollende Verstärkung frei zu halten, sprang heraus und schloss ab. Er schloss sein Auto immer ab, selbst wenn er nur eine Minute weg war. Nicht etwa, weil er sich Sorgen machte, es könnte gestohlen werden, sondern weil er es sich so angewöhnt hatte, damit er um Gottes willen niemals vergaß, den Dienstwagen abzuschließen.
    Er ging zum Haupteingang und bemühte sich angesichts der Schaulustigen Autorität auszustrahlen; er wusste sehr wohl, dass sein Äußeres auf die meisten Leute einen vertrauenerweckenden Eindruck machte. Einige Leute, die dort standen und glotzten, dachten vermutlich: »Aha, hier kommt der Mann, der das Ganze in den Griff bekommen wird.«
    Kurz hinter der Eingangstür standen vier Männer in Badehosen und mit Handtüchern um die Schultern. Staffan ging an ihnen vorbei in Richtung Umkleideräume, aber einer der Männer rief: »Hallo, entschuldigen Sie bitte«, und tapste barfuß zu ihm.
    »Ja, entschuldigen Sie, aber … unsere Kleider.«
    »Was ist mit denen?«
    »Wann können wir sie holen gehen?«
    »Ihre Kleider?«
    »Ja, sie sind im Umkleideraum, und wir dürfen nicht hinein.«
    Staffan öffnete den Mund, um eine säuerliche Bemerkung darüber fallen zu lassen, dass die Kleider der Männer im Moment natürlich allerhöchste Priorität genießen würden, aber eine Frau in einem weißen T-Shirt näherte sich den Männern im gleichen Moment mit einem Bündel Bademäntel auf dem Arm. Staffan machte eine Geste zu der Frau hin und setzte seinen Weg Richtung Umkleideräume fort.
    Unterwegs begegnete er einer weiteren Frau in weißem T-Shirt, die einen etwa zwölf-, dreizehnjährigen Jungen zum Eingangsbereich geleitete. Das Gesicht des Jungen setzte sich leuchtend rot von dem weißen Bademantel ab, in den er gehüllt war, seine Augen stierten ins Leere. Die Frau fixierte Staffan mit einem Blick, der beinahe vorwurfsvoll wirkte.
    »Seine Mutter kommt ihn gleich holen.«
    Staffan nickte. War der Junge … das Opfer? Genau das hätte er gerne fragen wollen, aber in der Hektik fiel ihm keine vernünftige Art ein, seine Frage in Worte zu fassen. Er würde wohl einfach davon ausgehen müssen, dass Holmberg den Namen und sonstige Angaben notiert und es für das Beste gehalten hatte, den Jungen seiner Mutter zu überantworten und von ihr zu Krankenwagen, Krisengesprächen, Therapie führen zu lassen.
    Beschütze diese deine Kleinsten.
    Staffan ging den Korridor hinab, lief die Treppe hinauf, während er im Stillen eine Danksagung für erwiesene Gnade abspulte und um Kraft für die Prüfung bat, die ihn erwartete.
    War der Mörder tatsächlich noch im Gebäude?
    Vor den Umkleideräumen, unter einem Schild mit dem einzigen Wort »HERREN«, standen passenderweise drei Herren und sprachen mit Holmberg. Nur einer von ihnen war vollständig angezogen. Einer der drei trug keine Hose, der Oberkörper des zweiten Mannes war nackt.
    »Gut, dass du so schnell kommen konntest«, sagte Holmberg.
    »Er ist noch da?«
    Holmberg zeigte auf die Tür zu den Umkleideräumen.
    »Da drin.«
    Staffan

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