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So finster, so kalt

So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Menschig
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nichts zu tun. Oder möchtest du noch einmal zu Mago?«
    »Nein, auf keinen Fall!« Merle hoffte, dass es nicht zu ablehnend klang. Sie wollte ihre Großmutter lebendig in Erinnerung behalten. Als ihre Mutter starb, hatten gutmeinende Erwachsene sie damals gezwungen, sich ihre tote Mutter anzusehen. Seitdem regte sich in ihr Ekel, wenn sie den Begriff »Totenhalle« nur hörte. Er hatte für sie einen bedrohlichen Beiklang.
    Björn nickte verstehend. »Hast du denn deinen Vater inzwischen erreicht? Darauf hast mir vorhin gar keine Antwort gegeben, oder?«
    Merle seufzte laut. »Ich habe es gestern den kompletten Nachmittag lang versucht und es nicht einmal bis zur Mailbox geschafft. Als wir vor drei Tagen miteinander gesprochen haben, war er in einem Nationalpark vierhundert Kilometer nördlich von Vancouver. Er meinte, ich solle mir nicht allzu viele Hoffnungen machen, dass er in der nächsten Woche oft von sich hören lässt. Abseits der Highways wäre die Verbindung eher schlecht.«
    Eine jüngere Frau kam mit besorgter Miene auf sie zu. »Björn, da bist du. Hast du Ronja gesehen?«
    »Nein, keine Ahnung, wo sie ist. Nicole, das ist Merle, Magos Enkelin. Merle, das ist Nicole – die Mutter von Luke und Amelie. Das sind zwei Freunde meiner Tochter Ronja.«
    »Guten Tag.« Sie reichten einander flüchtig die Hand, bevor Nicole sich wieder an Björn wandte. »Die Kinder sind schon seit dem Mittagessen verschwunden. Dabei wollten sie unbedingt beim Eindecken der Totentafel helfen.«
    »Ich frage gleich Sarah. Erst bringe ich Merle noch kurz zu der Wohnung ihres Vaters. Also zu Theodors Wohnung.« Björn legte der Frau beruhigend die Hand auf den Unterarm und schob sie sanft, aber unmissverständlich in Richtung Gemeindesaal.
    »Sie ist ein wenig überbesorgt«, erklärte er leise zu Merle gewandt. »Sie und ihr Mann sind erst vor einem Jahr aus der Stadt hergezogen. Es fällt ihnen schwer zu akzeptieren, dass den Kindern hier kaum etwas Schlimmes passieren kann. Na gut, ihr Sohn Luke ist vor ein paar Tagen vom Baum gefallen, aber er war unverletzt. Solche Dinge haben wir beide auch schon überlebt, oder?«
    »Machst du dir keine Gedanken, wenn deine Tochter verschwunden ist?«, fragte Merle verwundert.
    Björn schüttelte entschieden den Kopf. »Hier achten alle aufeinander, und Ronja ist sehr vernünftig für ihr Alter. Sie taucht schon wieder auf.«
    Sie waren ein paar hundert Meter durch die engen Gassen zum Dorfrand gegangen. Björn deutete auf einen der Neubauten, die sich an den Waldrand schmiegten. »Die Wohnung deines Vaters liegt im Erdgeschoss. Ach, bevor ich das vergesse: Ich habe neben Magos Leiche einen großen Umschlag mit Theodors Namen darauf gefunden. Vielleicht sind es wichtige Unterlagen. Deshalb habe ich ihn mitgenommen und ihn für dich auf Theodors Küchentisch gelegt. Gerade wenn das Haus deiner Großmutter jetzt leer steht, sollten solche Dinge nicht offen herumliegen.«
    »Gut.« Sie zwang sich zu einem letzten Lächeln. »Danke für alles.«
    Björn wandte sich um und winkte. »Wir sehen uns gleich, dann stelle ich dich dem Pfarrer vor.«
    Eilig schloss Merle die Haustür auf. Endlich allein. Sie ließ die Tasche neben den Stuhl auf den Boden gleiten und setzte sich noch im Mantel an den Küchentisch, auf dem der angekündigte Umschlag wartete. Dort stierte sie eine kleine Weile vor sich hin. Dieses Wiedersehen mit ihrem Jugendfreund machte ihr mehr zu schaffen, als sie sich eingestehen wollte. Die Trennung von Michael war nicht aus heiterem Himmel gekommen; seine Weigerung, sie zu begleiten, war nur der überzählige Tropfen in jenem berühmten zu vollen Fass gewesen. Dagegen zu erleben, dass Björn ganz selbstverständlich für sie da war, obwohl sie sich Jahre nicht gesehen hatten, überwältigte sie. Diese Fürsorge war immerhin eine gute Voraussetzung, eine Beerdigung über sich ergehen zu lassen. Falls es überhaupt gute Voraussetzungen für Beerdigungen geben konnte. Denn jetzt, da sie hier war, wäre Merle lieber davongelaufen. Warum war sie bloß hergekommen? Es brachte Omi nicht zurück. Ihr Vater war noch am anderen Ende der Welt. Vielleicht sollte sie doch zumindest schnell zu Omis Häuschen fahren und einen Blick hineinwerfen?
    Sie betrachtete ihre Nylonstrumpfhose und die Schuhe mit den Absätzen und den dünnen Lederriemen und versuchte sich vorzustellen, wie sie damit durch den Wald lief. Dann stand sie wieder auf, überlegte, sich einen Kaffee zu kochen, konnte sich jedoch

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