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So fühlt sich Leben an (German Edition)

So fühlt sich Leben an (German Edition)

Titel: So fühlt sich Leben an (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hagen Stoll
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dann: » Wenn wir dich finden, bist du dran.« Aha. Ich den Telefonhörer zur Seite gelegt, den Vorfall unter Kuriosa verbucht und vergessen.
    Zwei Tage später der nächste Anruf, dieselbe Drohung. Ich steige also etwas tiefer in die Materie ein, google Bandidos und finde heraus, was im Berliner Milieu in etwa los ist. Beim dritten Anruf sage ich ihm: » Ich weiß nicht, ob du mich verstehst, aber ich mache Musik. MUSIK . Und zwar für jeden. Mir deshalb zu drohen ist lächerlich. Sogar ein bisschen kindisch. Wenn du was zu besprechen hast, komm vorbei, wir können uns gern unterhalten.« Ich brachte die Anrufe nicht mit dem Zeitungsfoto in Verbindung– darauf muss man ja erst mal kommen–, die Anrufer taten jedoch so, als wüsste ich genau, worum es ging, und ließen mich deshalb über den Grund dieser Anrufe im Unklaren. Ich vermutete, dass irgendwelche Prospects– Probanden, Anwärter– von höheren Tieren im Klub auf mich angesetzt worden waren. Dann trafen Mails ein, von nun an täglich, und die Anrufe gingen weiter, die Stimmen wurden tiefer, rauer. Anfangs hatten die Anrufer jugendliche Stimmen gehabt; inzwischen war ich, wie es aussah, zur Chefsache geworden.
    » Verstehst du den Ernst der Lage nicht?«
    » Welcher Lage?«
    » Was denkst du dir dabei, ein Hell’s-Angels-T-Shirt zu tragen?«
    » Gar nichts.«
    Daraufhin besehe ich mir besagten Zeitungsartikel näher und stelle fest, dass ich tatsächlich ein Hell’s-Angels-T-Shirt auf dem Bild trage. Habe ich ein paar von den Hell’s Angels angerufen und gesagt: » Erklärt mir mal, was die von mir wollen.« Danach dämmerte es mir.
    Auf jeden Fall ließen sie nicht locker. Ich hatte mein Studio inzwischen in den Hoppegarten verlagert, sitze also da und bemerke bei einem Blick durchs Fenster, dass zwei Autos vorfahren und auf der Straße vor meinem Studio Posten beziehen. Als ich abends fertig bin, gehe ich raus, setze mich ins Auto, fahre los und sehe im Rückspiegel, dass sie mich verfolgen. Dann sind sie plötzlich verschwunden. So geht es zwei Monate lang. Der Telefonterror verstärkt sich, die ersten Morddrohungen gehen per Mail ein, Katrin wie Timea haben sie jetzt auch auf ihre Liste gesetzt, und vor dem Studio stehen am Ende nicht mehr zwei, sondern fünf Autos. Dass ich damit nicht zur Polizei zu gehen brauche, versteht sich von selbst.
    Als Nächstes tauchen sie vor unserem Haus auf, postieren sich dort und bleiben abendelang da stehen. Jetzt reicht’s mir, die Nachbarn sind schon alarmiert, ich gehe auf den ersten Wagen zu und brülle: » Ihr überschreitet gerade eine Grenze. Fühlt ihr euch wohler, wenn ihr mich umlegt? Dann macht es jetzt. Dann klatscht mich jetzt weg. Auch gern vor meiner Familie. Ihr seid ja in der Überzahl.« Sie reagieren nicht. Sie lassen nicht mal das Fenster runter.
    Am nächsten Tag stehen sie wieder da. Völlig egal, was du sagst, sie sind nicht ansprechbar, sie machen auf Terminator. Dass sie mich umbringen wollen, kann ich allerdings immer noch nicht glauben. Vielleicht verprügeln sie mich, drehen ein Video davon, stellen es ins Netz und sagen: Bandidos erteilen einem Hell’s-Angels-Anwärter namens Joe Rilla, der eine gewisse Bekanntheit genießt, eine Lektion… Aber nichts dergleichen. Sie erhöhen nur kontinuierlich den Druck, bis eines Tages dreißig, vierzig Bandidos aus den Autos steigen und sich vor meinem Studio aufbauen. Jetzt wird mir die Sache unheimlich. Ich greife zum Hörer und rufe Sven Gillert an. Gillert aus Hellersdorf.

24 | Wer, wenn nicht wir?
    Heute bezeichne ich Sven als Bruder. Er ist der Bruder, den ich mir immer gewünscht habe, mit dem man durch dick und dünn gehen kann, mit dem sich alles besprechen lässt– das einzige Überbleibsel aus Kindertagen, das noch an meiner Seite ist. Wir sind die Letzten unserer Art, sage ich immer.
    Bis dahin, bis zu meinem Anruf, war er das nicht. Da war mir Sven eher wie ein Stück Heimat vorgekommen, ohne dass wir eng befreundet gewesen wären, und erst im Jahr zuvor waren wir uns wieder näher gekommen, auf Europas größtem Hip-Hop-Festival in Chemnitz.
    Purer Zufall, und wir haben uns beide tierisch gefreut.
    » Was machst du denn hier?«
    » Ich trete hier auf.«
    » Ist nicht dein Ernst?!«
    » Doch.«
    Wir hatten uns eine Weile nicht gesehen, weil Sven seit einigen Jahren in Dresden lebte und dort an der Tür arbeitete, jetzt trafen wir uns wieder, ich auf der Bühne, er bei der Sicherheit, lagen uns in den Armen und tel efon ierten

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