So gut wie tot
verlängern. Sie schaute durch die Sonnenbrille mit den großen ovalen Gläsern auf die Uhr. Ronnie hatte ihr die goldene Rolex im Juni zum Geburtstag geschenkt und beteuert, sie sei echt. Das hatte sie allerdings nicht geglaubt. Dazu kannte sie ihn zu gut. Er würde keine zehntausend Pfund ausgeben, wenn er für fünfzig etwas bekam, das genauso aussah. Schon gar nicht jetzt, wo er in finanziellen Schwierigkeiten steckte.
Er sprach nicht mit ihr über seine Probleme, war aber in letzter Zeit knickerig geworden, hatte die Lebensmittelrechnungen überprüft und gemeckert, sie gebe zu viel Geld für Kleider, Friseur und Restaurantbesuche mit ihren Freundinnen aus. Das Haus war stellenweise so heruntergekommen, dass es ihr peinlich war, aber Ronnie weigerte sich, Handwerker zu bestellen. Sie mussten angeblich sparen.
Sie liebte ihn sehr, aber es gab eine Seite an ihm, die sie nie erreichen konnte, eine geheime Nische in seinem Inneren, in der er allein mit seinem Dämon kämpfte. Sie ahnte, was für ein Dämon das war: der unbedingte Drang, erfolgreich zu sein und es allen anderen zu zeigen.
Deshalb hatte er auch das Haus am Shirley Drive gekauft, das sie sich eigentlich nicht leisten konnten. Es war nicht groß, lag aber in einer der teuersten Wohngegenden von Brighton and Hove, einem ruhigen, hügeligen Viertel mit frei stehenden Häusern und ansehnlichen Gärten an baumbestandenen Straßen. Es war modern und wirkte mit den versetzten Ebenen größer, als es eigentlich war. Vor allem unterschied es sich deutlich von den Häusern im Pseudo-Tu- Tudorstil, der in dieser Gegend vorherrschte. Die Terrasse aus Teakholz und der kleine Pool verliehen ihm einen Hauch von Beverly Hills.
Es war zehn vor zwei. Nett, dass er angerufen hatte. Die Zeitverschiebung brachte sie immer ganz durcheinander; verrückt, dass Ronnie gerade frühstückte, während sie ihr Mittagessen aus Hüttenkäse und Beeren zu sich nahm. Sie war glücklich, dass er heute Abend nach Hause fliegen würde. Sie vermisste ihn sehr, wenn er unterwegs war, und fragte sich immer, was er alleine so trieb, denn Ronnie war ein echter Frauenheld. Die Kurzreise, die nur drei Tage dauern sollte, war aber nicht so schlimm.
Der Teil des Gartens, in dem sie lag, war völlig durch ein hohes Spalier abgeschirmt, an dem Efeu empor wuchs. Daneben stand ein riesiger, wild wuchernder Rhododendron, der wohl gern ein Baum sein wollte. Lorraine sah zu, wie der elektronische Poolreiniger durchs Wasser kreuzte und dabei sanfte Wellen erzeugte. Alfie, der gestreifte Kater, schien etwas Interessantes hinter dem Rhododendron gefunden zu haben und schlich langsam und lauernd daran vorbei.
Man wusste nie, was Katzen dachten. Im Grunde hatte Ronnie ein bisschen Ähnlichkeit mit Alfie.
Sie stellte den Teller auf den Boden und griff nach der Daily Mail. Noch anderthalb Stunden, bevor sie zum Friseur musste. Sie würde sich Strähnchen machen lassen und danach noch ins Nagelstudio gehen. Für ihn wollte sie immer hübsch aussehen.
Lorraine genoss die warmen Sonnenstrahlen und blätterte in der Zeitung. Noch ein paar Minuten, dann würde sie seine Hemden bügeln. Ronnie mochte zwar gefälschte Uhren kaufen, doch bei Hemden kam nur das Original in Frage, Maßhemden aus der Londoner Jermyn Street. Er war geradezu besessen, wenn es um korrektes Bügeln ging. Da sie im Zuge ihrer Sparmaßnahmen auf die Haushaltshilfe verzichtet hatten, musste sie die Arbeit allein erledigen.
Lächelnd erinnerte sie sich an die erste Zeit mit Ronnie, als sie tatsächlich Freude am Waschen und Bügeln gehabt hatte. Als sie sich vor zehn Jahren kennen lernten, hatte sie als Verkäuferin im Duty-Free-Shop auf dem Flughafen Gatwick gearbeitet. Ronnie war dabei gewesen, die Scherben seines Lebens aufzusammeln, nachdem seine schöne, hirnlose Frau mit einem Filmregisseur, der sie zum Star machen wollte, nach Los Angeles durchgebrannt war.
Sie dachte an den ersten gemeinsamen Urlaub, den sie in einer kleinen Ferienwohnung bei Marbella verbracht hatten. Vom Balkon blickte man auf den Yachthafen von Puerto Banus. Ronnie hatte dort gesessen, Bier getrunken und neidisch auf die Yachten hinuntergeschaut. Damals hatte er ihr versprochen, dass ihnen eines Tages die größte Jacht im Hafen gehören würde. Er verstand sich darauf, eine Frau in romantische Stimmung zu versetzen, darin war er ein wahrer Meister.
Nichts hatte sie mehr geliebt, als seine Kleider zu waschen. An T-Shirts, Badehosen, Unterwäsche, Socken und
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