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So habe ich es mir nicht vorgestellt

So habe ich es mir nicht vorgestellt

Titel: So habe ich es mir nicht vorgestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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einmal. Erst nach dem vierten Klopfen war hinter der Tür das Klappern von dünnen Absätzen zu hören, und die Tür wurde aufgerissen. Vielleicht lag es an dem Gespräch über Seragina, daß Jo’ela auf den Anblick der kleinen, blondhaarigen Frau so verblüfft reagierte. Statt eines zerrissenen schwarzen Kleides, das sie sich vorgestellt hatte, trug die Frau eine enge getigerte Hose und ein weites goldenes Hemd, das über den schmalen Hüften mit einem dünnen Ledergürtel zusammengehalten wurde, dazu eine Kette aus bunten Steinen. Die üppigen, sehr blonden Haare fielen ihr über die Schultern, eine Strähne hing über die Stirn bis zu einer dünnen dunklen Augenbraue. Ihre Augen, klein und funkelnd, blickten Hila und Jo’ela mißtrauisch an. In der Hand hielt sie einen kleinen Topf voller Maiskörner, aus denen der rote Griff eines Löffels herausragte.
    »Wir sind aus Jerusalem«, sagte Hila, »wir haben uns für heute angemeldet …«
    »Kommen Sie rein«, sagte die Frau, trat zur Seite und stocherte mit einem langen Fingernagel die gelbe Schale eines Maiskorns zwischen ihren Schneidezähnen heraus.
    Zögernd und mit gesenktem Kopf folgte Jo’ela Hila in die Wohnung. Hila blickte sich ungeniert um, betrachtete die Wände, an denen große Ölbilder hingen, grellfarbige abstrakte Landschaften aus Flecken und Kreisen. Jo’ela blieb an der Eingangstür stehen. Die Frau setzte sich in einen Sessel, der in einer Sitzecke stand, neben einem der großen Bilder, häufte Maiskörner auf den Löffel, prüfte sie genüßlich mit den Lippen und kaute geräuschvoll. »Wer von Ihnen kommt zu mir?« fragte sie, nachdem sie den Topfboden ausgekratzt hatte. »Zwei auf einmal kann ich nämlich nicht.«
    »Sie«, sagte Jo’ela und deutete auf Hila, »ich warte nur.«
    »Dann warten Sie hier«, sagte die Frau, »ich mache es nämlich in der Küche.«
    »Kann sie nicht einfach dabeibleiben?« bat Hila.
    »Auf keinen Fall, das ist privat«, entschied die Frau und stellte den Topf auf den Marmortisch neben dem Sessel. »Sie können sich auch hierher setzen, wenn Sie wollen.« Sie deutete mit der Hand mit den silbern lackierten Nägeln auf die Eßecke – ein Tisch mit einer Spitzendecke, ringsherum sechs Holzstühle –, »damit Ihre Anwesenheit sie nicht stört.«
    »Wen denn?« fragte Hila erschrocken, aber die Frau lief schon auf ihren hohen, dünnen Absätzen zur Küche.
    Jo’ela setzte sich auf den Stuhl gegenüber der Durchreiche zur Küche und betrachtete erstaunt den alten lächelnden Mann in dem weißen Umhang auf dem Bild, das neben der Durchreiche hing, und den Kerzenhalter daneben, den dicken, verrauchten Kerzenstummel, der darin steckte, und hörte dabei, als wäre es ein Theaterstück, wie Hila in der Küche flehend fragte: »Was ist das eigentlich, wie … was werden wir jetzt tun?« Dann die heisere, entschiedene Antwort der Maisesserin: »Uranfangs-Channeling gibt Ihnen die Möglichkeit, sich so zu sehen, wie Sie sind, aber es löst Ihnen keine konkreten gegenwärtigen Probleme. Ich stelle jetzt gleich das Tonbandgerät hier an, aber vorher geben Sie mir zweihundert Schekel, dann erkläre ich Ihnen alles, und Sie beantworten mir einige Fragen.«
    Jo’ela zupfte an der Spitzendecke und berührte die große bunte Kristallvase, in der Stoffblumen standen. Sie hörte das Rascheln von Papier. Vermutlich stellte Hila, ohne Diskussion, in der Küche einen Scheck aus. Auch wenn der alte Mann auf dem Bild ein Verwandter war und nicht irgendein Wunderrabbi, so war doch klar, daß hier in dieser Wohnung ein Götzendienst betrieben wurde, und es war schwer zu glauben, daß es wirklich Hila war, die in diesem Moment ohne Hemmungen, in einfacher Sprache, sagte, sie würde gerne wissen, ob es in ihren früheren Inkarnationen »Fälle von langsamem Sterben, verbunden mit großen Schmerzen« gegeben habe.
    Jo’ela glaubte, in der heiseren Stimme ein Lächeln zu hören, als sie fragte: »Das ist alles, was Sie interessiert? Wollen Sie nicht wissen, was Sie aus sich machen können, warum Sie so verwirrt sind – sind Sie nicht hergekommen, um solche Sachen zu hören?« Hila flüsterte etwas Unverständliches. »Ja«, sagte die Frau, »das werden wir bald sehen, alles, aber erst muß ich Ihnen erklären, daß alles, was hier gesprochen wird, auf Band aufgenommen wird, und wenn Sie sich die Bänder wieder anhören, sagen wir mal einmal in einer Woche, werden Sie sehen, daß eine Lösung drinsteckt.«
    »In welchem Sinn, wie meinen

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