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So habe ich es mir nicht vorgestellt

So habe ich es mir nicht vorgestellt

Titel: So habe ich es mir nicht vorgestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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heraus. Sie klappte den kleinen Spiegel auf, spannte die Lippen, malte sich den Mund mit dem rotbraunen Stift an, drückte die Lippen aufeinander und nahm dann die Augen in Angriff. Während sie die Farbschichten auf die Lider auftrug, erklärte Jo’ela einer Frau am Telefon, daß auch Ärzte manchmal krank seien, und überlegte, ob sie sie an Nerja verweisen solle, der die Geburt für sie übernehmen könne, doch dann nannte sie einen anderen Namen. Als Schula in der Tür auftauchte, schwer atmend, als habe sie den ganzen Weg zu Fuß zurückgelegt, und mit dem Finger zum Zaun deutete, wo ihr Auto stand – »Den ganzen Morgen hat es mir nur Ärger gemacht, es wollte einfach nicht anspringen« –, waren auch schon Hilas tänzelnde Schritte zu hören. Ihr Gesicht strahlte in Rosa, ihre Augen leuchteten grün, betont durch das Braun und Weiß auf den Lidern. Sie zwickte Schula in die Wange, die erstaunt und kindlich bewundernd sagte: »Wie schön Sie aussehen!«
    Hila sagte nur: »Gehen wir?«
     
    »Uranfangs-Channeling«, sagte Hila mehrmals, bis Jo’ela schließlich, bevor sie links abbog, Richtung Kloster Latrun, fragte, wovon sie eigentlich rede.
    »Das ist es, was die Frau macht, so nennt man das«, erklärte Hila. »Sie erklärt dir, welche Reinkarnationen du vorher durchgemacht hast und welche Auswirkungen das auf dein jetziges Leben hat.«
    Es war schwer zu beurteilen, wie ernst sie es meinte. »Sag mal, glaubst du wirklich an so etwas?« fragte Jo’ela zum ersten Mal direkt.
    Hila lachte. »Was habe ich schon zu verlieren? Im schlimmsten Fall läuft es darauf hinaus, daß wir einfach zum Spaß gefahren sind, als Abenteuer. So gesehen kann man doch gar nichts verlieren.«
    »Wirklich, im Ernst«, bat Jo’ela. »Einmal im Ernst.«
    »Wie kann man auf eine solche Frage im Ernst antworten?« protestierte Hila. »Wir haben sie ja noch gar nicht getroffen, wir werden ja sehen.« Und herausfordernd: »Und du? Glaubst du daran?«
    »Wie kommst du denn auf diese Idee!«
    »Aber du fährst mit mir hin!«
    »Ich wäre nicht gefahren, wenn es nicht …«
    »Es ist nicht nur wegen des Vortrags«, sagte Hila. »Sag das nicht.«
    »Aber du glaubst doch selbst nicht wirklich dran, wie kannst du dann meinen, daß ich es tue?«
    »Ich weiß nicht, ob ich glaube, ich habe sie noch nicht gesehen, vielleicht sieht sie aus wie … wie Seragina? Und wenn du Seelenwanderung ganz allgemein meinst, daran glauben Millionen von Menschen, unter ihnen sehr gebildete, auch Wissenschaftler.« Sie atmete tief ein und erzählte von Indern, vom Glauben der Inder, dann wechselte sie zu einem Buch zweier englischer Forscher über die Denkweise von Männern. Sie beschrieben die Wunde in den Seelen von Männern, entstanden durch die gewaltsame Trennung von ihren Müttern. »Sie sind wirklich arm dran, hilflos und schwach«, schloß sie nachdenklich.
    »Und was ist mit den Frauen? Müssen sie sich nicht physisch von ihren Vätern trennen? Und von ihren Müttern?« widersprach Jo’ela, aber Hila erzählte jetzt schon von ihrem Vater, von Alex, der Nachbarin von gegenüber und dem Baby, das immer weinte, bis sie auf Rubi kam, der immer dicker wurde und sich überhaupt seltsam benahm, als habe er beschlossen, so lange zu essen, bis er unter dem Joch seines eigenen Körpers zusammenbreche. »Und sein Körper ist nicht gescheiter als er«, fügte sie mit einem halben Lächeln hinzu, eine Zeile aus einem Gedicht zitierend.
    An der Kreuzung Kastina hielten sie an, um zu tanken.
    »Wer ist das, Seragina?« fragte Jo’ela.
    »Jo’ela! Seragina, die Dicke, die am Strand tanzt? Wie konntest du sie bloß vergessen!«
    »An welchem Strand?«
    »Das die Kinder … um halb acht, und die Kinder wollen sie immer sehen, sie hat …«
    »… ein gequältes Gesicht und Augenbrauen wie eine Hexe und ein zerrissenes schwarzes Kleid?«
    »Die, die tanzt. Und Gawido, der Junge, läuft immer hin, um sie zu sehen, und wird zur Strafe in ein Kloster gesteckt.«
    »Das ist kein Kloster, das ist einfach eine normale Schule in Italien. Und der Tag, als seine Mutter ihn besucht … Da rennt sie zum Strand, seine Mutter, ich habe mich nicht daran erinnert, daß sie Seragina heißt.«
    »Auch hier gibt es schon Fahnen«, beschwerte sich Hila, als sie in die Kleinstadt einfuhren, und wirklich flatterten an Schnüren zwischen den Strommasten kleine Fahnen in Blau-Weiß, dazwischen Lampions und Luftschlangen. »An der ersten Kreuzung geht es nach rechts«, verkündete Hila

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