So hoch wie der Himmel
beherrschte sie Französisch bestenfalls bruchstückhaft, so dass sie nur wenig von dem, was er sagte, verstand. Doch darum ging es ihr gar nicht. Es war die Selbstverständlichkeit, in der er sprach, die warmen, flüssigen Laute, die über seine Lippen kamen, die Hände, durch deren Bewegungen er seine Worte unbewußt noch unterstrich.
Nun kniff er seine rauchgrauen Augen zusammen – aus Zorn oder Ungeduld –, ehe er etwas herunterrasselte, was sich entweder wie eine Reihe von Befehlen oder aber von Flüchen anhörte. Dann lachte er, und seine Stimme bekam einen sahnig weichen Unterton, während er diesen lieblichen, exotischen Singsang von sich gab.
Mit einemmal merkte sie, dass sie den Atem anhielt und die Hand an ihr Herz preßte wie ein verträumter Teenager, der den Kapitän der Football-Mannschaft beim Spiel anhimmelte.
Es ist nur Josh, erinnerte sie sich, atmete tief ein und zwang ihre Hand herab. Um sich zu beweisen, dass sie noch die Alte war, lehnte sie sich provokativ in den Rahmen und wartete das Ende des Gesprächs ab.
»Qa va, Simone. Oui, oui, oui, c’est bien. Ah, nous parlerons dans trois heures.« Er machte eine Pause und horchte, wobei er langsam in Richtung des Fensters wanderte. »Parce qu’ils sont des idiots.« Leise lachte er auf, »Non, non, pas de quoi. Au revoir, Simone!«
Er stellte das Handy aus und wandte sich seinem Schreibtisch zu, ehe er sie sah. Ihr Haar fiel ihr in wirren blonden Strähnen in die Stirn, ihre blauen Augen blitzten ihn fröhlich an, und der weiße Morgenmantel lag lose um ihren Leib. Sofort war er hellwach.
»Eine kleine Sache in Paris, die es noch zu erledigen galt.«
»Simone.« Margo sah ihn reglos an, während sie mit einer Hand über den weichen Aufschlag des Morgenmantels fuhr. »Sag mal, ist sie so … hinreißend, wie ihr Name klingt?«
»Viel besser noch.« Er trat vor sie und fuhr mit seinen Händen in ihren Ausschnitt. »Und außerdem ist sie vollkommen verrückt nach mir.«
»Schuft«, murmelte Margo an seinem Mund.
»Und sie tut alles, was ich will«, fügte er hinzu, während er sie rückwärts zum Bett schob.
»Da hast du aber wirklich Glück!« Margo entzog sich ihm und rammte ihm ihren Ellbogen in den Unterleib. Als er stöhnte, trat sie einen Schritt zurück und strich sich die Haare glatt. »Ich brauche eine Dusche.«
»Vermutlich sollte ich dir jetzt gestehen, dass sie achtundfünfzig ist, vier Enkelkinder hat und die Position der stellvertretenden Direktorin der Marketing-Abteilung des Templeton Paris bekleidet.«
Sie sah ihn über die Schulter an. »Soweit ich mich erinnere, habe ich nicht danach gefragt. Warum bestellst du nicht etwas zum Frühstücken? Um halb neun möchte ich im Laden sein.«
Er erfüllte ihr ihren Wunsch und bat telephonisch um das Frühstück in einer Stunde, da ihm auf diese Weise genügend Zeit für eine gemeinsame Dusche blieb. Margo runzelte die Stirn, als sie plötzlich kaum noch Wasser abbekam.
»Das ist ja bestenfalls lauwarm«, beschwerte er sich.
»Gut für die Haut! Und außerdem bin ich beim Duschen gerne ungestört.«
»Templeton ist ein umweltbewusster Konzern.« Obgleich sie ihm auf die Finger schlug, drehte er das heiße Wasser an und beobachtete zufrieden, wie sich dichter Dampf auf den schimmernden schwarzen Wänden der Kabine absetzte. »Als Vizepräsident ist es meine Pflicht, dafür zu sorgen, dass mit den natürlichen Ressourcen möglichst sparsam umgegangen wird.« Er streckte die Hände aus und schäumte das Shampoo in ihren Haaren auf.
Die Dusche bot mindestens vier Personen Platz, ermahnte sie sich. Kein Grund also, sich beengt vorzukommen. »Du bist doch nur deshalb hier, weil du dir einbildest, vielleicht noch mal bei mir landen zu können.«
»Jemine, diese Frau hat mich durchschaut. Wie peinlich!« Als sie sich abwandte, um das Shampoo auszuwaschen, seifte er ihr den Rücken ein. »Wie lange brauchst du, bis du diesen Schopf trocken hast? Das müssen doch Kilometer von Haaren sein.«
»Es ist nicht die Länge, sondern die Dicke, die das Trocknen so schwierig macht«, stellte sie geistesabwesend fest. Ihr Verhalten war lächerlich. Er hatte bereits jeden Zentimeter ihres Leibes genau erforscht. Aber dieses … Reinigungsritual empfand sie als geradezu unangenehm intim.
Sie hatte die Wahrheit gesagt. Mit ihren Liebhabern badete sie nicht. Wenn es ihr gefiel, schlief sie mit ihnen – doch ins Bad ging sie allein. Wobei es ihr nicht nur um die Selbstkontrolle zu tun war,
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