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So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)

So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)

Titel: So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Schlingensief
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Schneesturm kann ich zum Beispiel gut nachvollziehen. Ich hatte bei dem CT auch den Eindruck, dass die wie Schneeflocken aussehen. Immerhin war es noch kein Schneesturm, sondern es waren vereinzelte Schneeflöckchen, muss man auch sagen. Na ja.
    Am nächsten Morgen bin ich dann wieder zu meiner Mutter, und nach dem Frühstück musste ich plötzlich mit den Tränen kämpfen. Da fragt sie, die kaum aus dem Rollstuhl kommt: »Soll ich rüberkommen? Ich komm rüber, warte, warte.« Da bin ich natürlich selbst aufgestanden, zu ihr auf die andere Seite des Tischs gegangen, habe mich neben sie gesetzt und den Kopf auf ihre Schulter gelegt. Als sie dann meine Hand nahm, konnte ich die Tränen laufen lassen. Aber vor allem konnte ich ihr gegenüber endlich all die Dinge aussprechen, die mir eine solche Last waren. Ich konnte ihr erzählen, dass ich all die Jahre so viel Kraft bei ihr und meinem Vater gelassen habe, erzählen, wie anstrengend das für mich war, immer wieder Optimismus und Lebensfreude verbreiten zu wollen, dafür sorgen zu wollen, dass die Dinge schön sind. Um dann doch immer wieder nur zu hören: Es geht unverändert schlecht.
    All das sagen zu können, endlich auch sagen zu können, dass ich das so nicht mehr will, hat so gutgetan, ich kann’s gar nicht beschreiben. Anschließend habe ich mich jedenfalls wie gereinigt gefühlt, so, als hätte ich gebeichtet. Beichte ist natürlich mal wieder viel zu katholisch, aber egal. Es setzte jedenfalls ein großes Gefühl der Entspannung ein. Meine Mutter wusste zwar irgendwann gar nicht mehr, worüber wir gesprochen hatten, aber für mich war dieses Gespräch mit ihr ein Weihnachtswunder. Ein paar Wellen und Wogen haben sich einfach beruhigt.

    Wenn jemand da ist, sieht man halt die Bescherung. Deshalb ist Gott lieber nicht da.
     
    Das zweite Weihnachtswunder war ein Telefonat mit meinem Patenonkel. Er ist 87 und streng religiös, aber gestern erzählte er mir, dass er mit seinen 87 Jahren auch immer noch keinen Weg zu Gott gefunden habe. Dass er sich vor Kurzem sogar ein Buch gekauft habe, um sich das Vaterunser erklären zu lassen – so verzweifelt sei er, weil er nicht wisse, ob Gott wirklich da sei, worauf er sich eigentlich verlassen solle. Das sagt mir mein 87-jähriger Patenonkel, der meine Arbeit unablässig als zerstörerisch kritisiert hatte. Der erklärt mir plötzlich: Ja, ich habe auch manchmal das Gefühl, von Gott verlassen zu sein, ich weiß auch nicht, wie ich mit ihm zusammenkommen soll.
    Tja, das ist eben das Paradox mit Gott. Da ist einer weg, ist nicht da, aber trotzdem ganz nah bei uns. Wenn jemand
    nicht da ist, dann ist er vielleicht einfach das Ganze.Wenn jemand da ist, dann sieht man, dass sein Haaransatz zurückgeht oder er beim Reden lispelt.Wenn jemand da ist, dann sieht man halt die Bescherung. Deshalb ist Gott lieber nicht da. Dann kann er alles sein und selbst in seiner Abwesenheit anwesend sein.
    Jedenfalls war das Gespräch mit meinem Onkel auch ein kleines Wunder, weil es mich noch mehr beruhigt hat. Das dritte, das größte Weihnachtswunder war die Verlobung mit Aino. Ich war total desorganisiert, ich konnte auch gar nicht alles sagen, was ich eigentlich sagen wollte, aber es war allen, die da waren, klar, dass etwas ganz Wichtiges passiert. Zu sagen, ja, ich stehe zu diesem Menschen, ich übernehme Verantwortung, ich will mit diesem Menschen mein Leben verbringen – und zwar mein Leben, nicht nur meine letzten Stunden –, hat die Wellen weiter geglättet. Es geht hier nicht um Stunden und Tage und Monate, es geht hier um ein ganzes Leben. Und dieses ganze Leben, das ich jetzt mit Aino vor mir habe, wird wunderschön.

    Jetzt ist also der Tag der Tage da und ich kann ehrlich sagen: Gut, soll er kommen. Na ja, er ist ja schon da, er muss ja gar nicht kommen. Jedenfalls gehe ich jetzt mit Aino zur Untersuchung, dann kriegen wir ein Ergebnis und vielleicht rollen dann auch wieder Tränen. Aber diese drei Weihnachtserlebnisse haben ein Wunder der Beruhigung bewirkt. Und ich weiß jetzt, es geht nicht nur um ein paar Stunden und Tage, sondern es geht um ein ganzes Leben. Und dieses Leben, sei es auch noch so kurz, beinhaltet den Zweifel und das Glück, das Wissen und das Unwissen. Und es ist nichts Fatalistisches und nichts Peinliches, es ist auch nichts Niederträchtiges oder Berechnendes – es ist einfach ein ganzes Leben. Und dieses ganze Leben werde ich jetzt in der Röhre auf medizinische Art und Weise abhandeln, aber in

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