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So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)

So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)

Titel: So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Schlingensief
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meine Krankheit, meine Todesangst natürlich auch verschweigen, das will ich aber nicht. Ich will über Krankheit, Sterben und Tod sprechen. Gegen diese Ächtungskultur ansprechen, die den Kranken Redeverbot erteilt. Ich gieße eine soziale Plastik aus meiner Krankheit. Und ich arbeite am erweiterten Krankenbegriff.

    Die sollen mal ihre Emotionen rauslassen, die Leute!
     
    Es geht nicht darum, den Leidensbeauftragten zu geben, es geht ganz einfach ums Zeigen. Und natürlich darf man in der Öffentlichkeit auch seine Tränen zeigen. Warum denn nicht? Was haben die alle für Probleme mit ihrem Selbstüberwachungsstaat? Als besäßen wir alle irgendein kleines Kästchen, das gegenüber allen anderen beschützt werden muss. Die sollen mal ihre Emotionen rauslassen, die Leute! Scheiß doch auf dieses ganze Absicherungsgetue, dieses Verstecken vor der anderen! Diese meterdicken Verbände, die sich die Leute um ihre Wunden wickeln, können mir doch gestohlen bleiben. Ich will in dem Zustand, in dem ich jetzt bin, jemand anderem begegnen und sagen: Schauen Sie, hören Sie! Und der autonome Betrachter reagiert, indem er vor allem mit sich selbst umgehen muss. Dann ist das nicht Christoph Schlingensiefs Leidensweg, sondern viel mehr. Ob das dann noch richtiges Theater ist – wen interessiert’s? Und wenn die Leute das nicht wollen, wenn sie sagen, ich sei ein Terrorist, der ihnen zu nahe tritt, dann ist das eben so. Dann ist das auch eine Reaktion.
    Jetzt höre ich mal auf, meine Nase ist zu und ich bin müde. Diese schlechten Nachrichten machen müde und resignativ. Trotzdem hoffe ich sehr, dass sich die Me-tastasen zurückbilden. Wenn sie wenigstens nicht weiterwachsen würden – das wäre auch schon toll. Dabei ist natürlich klar, was für ein Luxus diese Behandlung ist: Die Tabletten, die ich nehme, kosten im Jahr 30 000 Euro, das kann sich nun wirklich niemand in der Dritten Welt leisten, die Leute dort wissen nicht einmal, dass es sie gibt. Dass man jetzt hier alles Geld zusammengrapscht, damit man irgendwie noch ein bisschen weiterlebt, ist eigentlich pervers. So toll und wichtig bin ich nicht. Und trotzdem gehe ich natürlich von meinem eigenen kleinen Leben aus, das ich so gerne noch gelebt hätte. Wenn ich mir die Erde aus dem Flugzeug angucke, oder wenn ich in einem Buchladen in Büchern über fremde Länder blättere, dann rollen schon die Tränen. Also, gute Nacht.

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    Dienstag, 23. Dezember
    Jetzt bin ich wieder in Oberhausen bei meiner Mutter, und es geht mir ziemlich schlecht. Ich bekomme leider den Gedanken nicht aus dem Kopf, dass das jetzt alles nicht mehr gut wird. Der Optimismus ist weg. Es kommt mir vor, als senke sich langsam eine schwere, schwarze Decke über mich, die mir mitteilt: Ich lege mich bald über dich, bald wirst du das Licht nicht mehr sehen, jedenfalls nicht das irdische Licht.

    Heute war ich am Grab meines Vaters. Da habe ich angefangen, ernsthaft darüber nachzudenken, wie man Kontakt aufnehmen könnte zu Leuten, die gestorben sind und die einem vielleicht helfen könnten. Man kann ja nicht dauernd den Draht zu Gott und seinen Leuten bemühen, die haben doch genug um die Ohren.Wir müssten doch auch als Familie oder als Freunde untereinander Verbundsysteme haben, Verbindungen zwischen den noch Lebenden und den schon Toten.
    Sind natürlich Verzweiflungsideen. Wahrscheinlich fange ich an zu spinnen. Andererseits: Vielleicht ist diese Idee gar nicht so bescheuert. Ich will kein Stühlerücken und kein Kartenlegen oder so.Aber die Menschen haben doch jahrtausendelang und in allen Kulturen und Religionen an solche Verbindungen zwischen den Toten und den Lebenden geglaubt und den Kontakt mit den Toten in ihr Leben integriert. Wieso können wir das nicht mehr? Wieso schließen wir die Toten so radikal aus, dass sie unauffindbar werden?
    Manchmal male ich mir aus, dass wir uns hier in einer Endlosschleife befinden, dass man als Kind wieder auf die Welt kommt, wenn man stirbt. Aller Erinnerungen an das frühere Leben beraubt, vielleicht bis auf ein paar Details, die man zum Beispiel spürt, wenn man Menschen begegnet, zu denen man ohne ersichtlichen Grund viel leichter einen Draht entwickelt als zu anderen. Und da frage ich mich eben: Gibt’s da Kontakte, gibt es da Möglichkeiten? Wer von meinen Toten kann mir helfen? Nicht nur, um gesund zu werden, sondern vor allem, um mit meiner Angst fertig zu werden. Mein Vater wäre jetzt gerade mal ein Jahr alt. Der kann bestimmt nix tun,

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