So schwer, sich leicht zu fuehlen
den geduldigen Mann hinter dem Tresen, mir nur das Fleisch auf einem Teller zu servieren.
Dann ging ich los, um schon mal ein paar Kalorien zu verbrennen, während ich das Fleisch aÃ. Ich entfernte die Alufolie und sah das vor Fett triefende Fleisch. Teilweise hatte es weiÃe Fettränder. Wieso konnte auch gar nichts klappen? Jetzt hatte ich mich so darauf gefreut, endlich mal wieder mein Lieblingsgericht zu essen, und dann das!
Vorsichtig knabberte ich an einem Stück Fleisch und warf die Fettkruste zurück in den Behälter. Doch die Angst wurde immer gröÃer: Was, wenn ich versehentlich etwas von dem Fett runtergeschluckt hatte? Ich konnte den Druck nicht länger ertragen und warf voller Verzweiflung den vollen Plastikteller in den Mülleimer, bevor ich weiter in Versuchung kam, davon zu essen.
Und so ging es immer weiter. Jeder Gedanke drehte sich nur ums Essen, und ich bekam nicht mehr mit, dass mein ganzer Umgang mit Nahrungsmitteln völlig krankhaft geworden war. Ich verlor auch jeden Bezug zu Mengen. Wenn ich zum Beispiel HeiÃhunger auf etwas SüÃes hatte, kaufte ich mir eine Milchschnitte, biss einmal davon ab und warf den Rest weg. Und sogar dann bekam ich noch ein schlechtes Gewissen.
Wenn ich ab und zu mit meiner Familie essen gehen âmussteâ, konnte sich das ewig hinziehen. Da ich bei diesen Gelegenheiten ja wohl oder übel etwas essen musste, sollte es auch genau das sein, was ich mir vorstellte! So musste jeder geduldig warten, bis ich etwas Passendes gefunden hatte, auch wenn wir dafür das Lokal wechseln mussten. Bei der Bestellung betonte ich dann, dass mein Gericht nicht mit Fett gekocht werden durfte, da ich das angeblich nicht vertragen würde. Was für eine Qual für meine Familie! Und wenn ich dann endlich mein Essen hatte, aà ich unendlich langsam, da ich jeden Bissen ja zigmal kauen musste. Mehrmals rannte ich während des Essens auf die Toilette, um nachzusehen, ob die Hose schon spannte oder ob man im Spiegel schon erkennen würde, dass ich zugenommen hatte!
Wenn ich das jetzt mit Abstand betrachte, klingt es irgendwie lächerlich. Doch damals war es mir bitter ernst damit.
Eigentlich aà ich für mein Leben gern Brot, aber Brot war âböseâ. Wenn es sich gar nicht vermeiden lieÃ, aà ich zuerst die Kruste und dann die Mitte. Schlimm war es, wenn man mir ein belegtes Brötchen gab. Dann öffnete ich es zuerst, nahm den Belag ab und knabberte es dann von unten an. Danach war die obere Hälfte dran. Ich stoppte jeweils dort, wo ich Butter erkennen konnte. Denn Butter, oder überhaupt Fett, war mein schlimmster Feind. Das Salatblatt oder die Gurke darin hätte ich ja gegessen, doch ich konnte mir nie ganz sicher sein, ob da nicht ein wenig Butter drangekommen war, und so lieà ich sicherheitshalber die Finger davon.
Ich versuchte, ständig in Bewegung zu bleiben, um noch mehr Kalorien zu verbrennen. Selten benutzte ich den Aufzug. Lieber rannte ich sämtliche Etagen die Treppen hoch. Selbst beim Zähneputzen stellte ich mich auf die Zehenspitzen, um meine Muskeln anzuspannen, und dabei sah der Bauch auch gleich viel flacher aus.
Meine Eltern bekamen mein befremdliches Essverhalten natürlich mit und machten sich groÃe Sorgen. Auf ihre Nachfragen hatte ich aber immer eine ganz gut klingende Ausrede parat, warum ich so wenig oder gar nichts aÃ. Mal hatte ich Bauchschmerzen, dann behauptete ich, schon etwas gegessen zu haben, oder, oder, oder.
Da meine Eltern mich als grundehrliches Mädchen kannten, lieÃen sie sich zunächst mit diesen Dingen abspeisen. Jedes Mal, wenn ich sie wieder belogen hatte, tat es mir im Herzen weh. Ich habe wirklich eine wundervolle Familie geschenkt bekommen, die alles für mich getan hätte. Dennoch konnte ich mit ihnen nicht über meine Situation sprechen. Ich hatte Angst davor, dass sie mich dann mästen würden.
Immer wieder wurde ich von Menschen angesprochen, ob in meinem Elternhaus etwas nicht stimmen würde. Oft wird es einfach darauf geschoben, wenn ein Mädchen magersüchtig wird. Doch in meinem Fall ist das ganz sicher nicht so! Meine Mutter arbeitete damals in einem Büro in der Stadt und mein Dad war Pastor einer richtig tollen Gemeinde, in die ich sehr gern ging. Ich freute mich auch immer, wenn ich sonntags auf der Bühne singen durfte. Ich konnte mich dort so richtig ausleben, hatte viele Freunde, bekam
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