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So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

Titel: So sollst du schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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Sehnsucht verwandelte.
    Und dort, in dieser Höhle, zog Mr   Steinberg den Reißverschluss meiner Regenjacke herunter, legte seine kalten Hände auf meine Haut und erkundete meine Brüste.
    »Oh, Caroline, süße Caroline!«, sagte er mit diesem hinreißenden amerikanischen Akzent, atemlos vor Verlangen. Und ich gab mich ihm hin, dort, in der Düsternis der Höhle, während Tilly uns humpelnd umkreiste.
    Nachdem Steinberg und ich uns geliebt hatten, strichen wir gemächlich unsere Kleider glatt, ohne ein Wort zu sagen, ohne einander aus den Augen zu lassen. Unsere Leidenschaft war gestillt, unsere Lebensgeister neu erwacht, als wir hinaustraten, um in riesigen Lettern unsere Namen in den Sand zu schreiben und zuzusehen, wie die Brandung sie ebenso schnell wieder fortspülte.
    Wir ließen uns Zeit mit der Rückkehr zum Haus. Offenbar war uns beiden die Vergänglichkeit dieses Moments bewusst, den wir nur ungern verstreichen lassen wollten. Ohne den Regen zu beachten, gingen wir den Weg entlang, eingehüllt in eine Blase der Erfüllung, als wäre unsere Begegnung so unvermeidlich gewesen wie der Sonnenaufgang.
    Keiner äußerte sich dazu, dass wir so spät kamen. Es fiel nicht einmal jemandem auf. Nach einem letzten flüchtigen Blick ging Steinberg seiner Wege, ich meiner. Unser Haus war leer. Ich machte mir eine Tasse Tee und lauschte dem Quieken und Kreischen, das durch die Hintertür hereindrang. Mit der Teetasse in der Hand lehnte ich mich gegen den Türrahmen und sah zu, wie Joe mit ein paar Jungs Fußball spielte, ohne auch nur zu ahnen, welche dramatische Veränderung sich in unserer Beziehung soeben ereignet hatte.

5
    In dem Augenblick, als ich die Tür mit einem Krachen ins Schloss fallen hörte, das die Küche erzittern ließ, wusste ich, dass mein Vater von dem Sikh und mir und den Telefonanrufen erfahren hatte. Ich bemerkte, wie der Windstoß die Blätter der Sanskrit-Gebete an der Wand aufflattern ließ. Mum, die an der Spüle stand und das Geschirr abwusch, sah hoch, während ich wie erstarrt vor meinem Kalligrafiebrett saß. Die ganze Woche hatte ich bereits auf diesen Moment gewartet, deshalb durchströmte mich beinahe ein Gefühl der Erleichterung, als es endlich so weit war.
    Dad betrat die Küche. Ich spähte hinter meinem Brett hervor. Seine Miene sagte alles. Ein Muskel an seiner Wange zuckte. Er warf mir einen Blick zu und ließ seine abgetragene, ausgebeulte Aktentasche auf den Boden fallen, wo sie umkippte und wie ein fetter alter Köter auf der Seite liegen blieb.
    »Hallo, Schatz«, sagte Mum und trocknete sich die Hände an einem Geschirrtuch ab. Mit abrupten, wütenden Bewegungen öffnete er jeden einzelnen Knopf seines beigen Mackintosh-Regenmantels, zog ihn aus, strich ihn glatt und öffnete die Tür des Garderobenschranks. Sein Gesicht nahm eine gräuliche Färbung an – wahrscheinlich war der Schrank zu voll –, während er mir einen Blick zuwarf, als wäre das nur meine Schuld, und ihn am Haken aufhängte. Mit Nachdruck schloss er die Tür. Wir alle hörten, wie der Mantel im Inneren des Schranks herunterfiel, taten jedoch so, als hätten wir es nicht mitbekommen.
    Mein Vater war ein großer Mann mit langem Hals und drahtig-zerzaustem Haar. In der Schule hatte man ihm den Spitznamen »Truthahn« gegeben, weil er beim Gehen den Hals rhythmisch vor- und zurückbewegte. Was sich noch verstärkte, wenn er wütend wurde. So wie jetzt.
    »Du, junge Dame, nach oben!«
    Mum wandte sich wortlos um und begann, das Geschirr abzutrocknen. Ihre sackartige Strickjacke war ein Stück nach oben gerutscht.
    »Auf der Stelle!« Er klang beängstigend.
    Erschrocken fuhr ich hinter meinem Kalligrafiebrett hoch und verkroch mich unter dem Tisch.
    »Ich warne dich!«
    Er kam um den Tisch herum und zog die Stühle hervor, woraufhin ich panisch die Flucht ergriff. Eilig krabbelte ich unter dem Tisch hervor und stürzte die Treppe hinauf, so schnell ich nur konnte. Ich hörte seine schweren, rhythmischen Schritte auf den Stufen, gefolgt von dem verräterischen Zischen, als er seinen Gürtel löste und aus den Schlaufen zog.
    Voller Angst rannte ich in mein Zimmer und stemmte mich gegen die geschlossene Tür, doch es nützte nichts. Er war viel stärker als ich und schob sie ohne jede Mühe auf. Ich rannte quer durchs Zimmer, packte meinen Stuhl und hielt ihn wie einen Schutzschild vor mich.
    Er schlug die Tür hinter sich zu.
    »Mum!«, schrie ich. »Mum! Hilf mir!«
    Aber natürlich kam sie

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