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So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

Titel: So sollst du schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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nicht.
    Zornige Flecken glühten auf seinem Gesicht; eine widerspenstige Strähne war ihm in die Stirn gefallen und zitterte, wann immer er den Atem ausstieß. »Wie kannst du es wagen, die Zukunft dieses Mannes in Gefahr zu bringen, Caroline Stern!«
    Speicheltröpfchen flogen durch die Luft. Mit einer Hand zog ich meinen Schreibtisch heran, in der Hoffnung, mich in der Zimmerecke verschanzen zu können.
    »Aber er hat mich angefasst, Dad!«
    »Lüg mich nicht an!«
    »Ich schwöre! Er hat mich angefasst!«
    »Das hat er nicht!«
    »Hat er doch!«
    »Das hat er nicht! Und ich nehme an, es ist auch nicht wahr, dass du für diese Telefonanrufe verantwortlich bist?«
    »Es ist nicht wahr!«
    »Du nennst Miss Fowler eine Lügnerin?«
    Ich starrte ihn finster an.
    »Sie hat die Anrufe nachverfolgen lassen. Du bist am Leicester Square aus der U-Bahn gestiegen und hast von einer Telefonzelle aus angerufen.«
    »Aber …«
    Allein die Vorstellung war völlig absurd. In diesem Fall hätte ich mir ja eine neue Fahrkarte kaufen müssen. Dafür hatte ich nicht einmal das Geld.
    »Du nennst Miss Fowler eine Lügnerin?«, wiederholte er.
    »Ja.«
    Wir rangelten mit dem Stuhl, und irgendwann bekam er ihn zu fassen, entriss ihn mir und schleuderte ihn quer durch den Raum. Dann stieß er den Tisch beiseite, packte mich bei den Armen und riss sie brutal nach hinten, ehe er mich zum Tisch zerrte und quer über die Tischplatte legte.
    Ich trat um mich wie ein Esel, doch er überwand meinen Widerstand mühelos. Mit einer einzigen Bewegung riss er meine Tunika hoch und zog mir Strumpfhose und Höschen herunter.
    Augenblicke später begann er mit dem Gürtel auf mich einzudreschen, dessen Schnalle klatschend auf meiner nackten Haut landete.
    Kates Ratschlag kam mir wieder in den Sinn. »Ich wette, du tust das richtig gern, stimmt’s, Dad?«, sei das Beste, was man in diesem Fall sagen könne. Bei ihrem Vater funktioniere es, hatte sie gemeint, aber offen gestanden tat es viel zu sehr weh, als dass ich ein Wort herausgebracht hätte, also schrie ich nur wie am Spieß. Er musste sehr, sehr wütend auf mich sein, denn es schien, als wolle er nie wieder aufhören, auf mich einzuprügeln.
    Danach blieb ich auf dem Boden liegen, wo er mich hingestoßen hatte, Hinterteil und Rücken blutig und schmerzend von seinen Schlägen. Hinter mir hörte ich seine raschen Atemzüge, als hätte er einen Sprint hingelegt. Ich schlug die Augen auf und sah ihn mit hängendem Kopf auf der Bettkante sitzen, beinahe ebenso schlaff und erschöpft wie ich selbst. Er wischte sich die Stirn ab.
    Umständlich begann er seinen Gürtel durch die Schlaufen zu ziehen.
    »Bitte!«, bettelte ich kleinlaut, noch immer am Boden liegend. »Bitte nimm mich von der Schule.«
    Er schwieg.
    »Bitte, es ist so schrecklich dort.«
    Er stieß den Atem durch die Nase aus. Ich zog mich auf Hände und Knie und kroch zu ihm. »Bitte, Daddy!« Ich schlang die Arme um seine Knöchel. »Bitte, Daddy! Bitte, bitte, bitte!« Ich sah, wie mir der Rotz aus der Nase lief und auf seine Hosenbeine tropfte.
    »Du hast dir diese Lebensspanne ausgewählt, Caroline!«, sagte er, um einen freundlichen Tonfall bemüht. »Du hast dir alles in dieser Lebensspanne ausgewählt. Deine Mutter, mich, deine Schule!« Noch immer kämpfte er mit seinem Gürtel.
    »War es auch meine Wahl, dass Thomas stirbt?« Thomas war mein kleiner Bruder, der mit zwei Jahren an Meningitis gestorben war.
    »Ja! Das hast du. So wie wir alle. Und es war zu unser aller Besten!«
    »Zu meinem aber nicht!«
    »Es war der Wille des Absoluten!«
    »Ich hasse das Absolute!«
    »So etwas darfst du niemals sagen! Das Absolute ist die reine Liebe.« Ich spürte, dass er erneut wütend wurde.
    »Du darfst mich nicht dort lassen, Daddy!« Ich heulte Rotz und Wasser. »Das darfst du nicht! Du musst mich von der Schule nehmen! Bitte!«
    Er packte mein Kinn und zwang mich, ihm ins Gesicht zu sehen. Die Venen auf seiner Stirn waren hervorgetreten. Er sprach ganz langsam.
    »Verstehst du denn nicht, Caroline? Mich zu bitten, dass ich dich von dieser Schule nehme, ist so, als würdest du mich zwingen, dir die Kehle durchzuschneiden!«
    Dies war der Augenblick, als ich aufhörte zu sprechen. Es gab nichts mehr zu sagen.
    Es war Samstag. Mein Vater war zu einer Lehrerklausur nach Riversmead gefahren. Ich hatte keine Ahnung, was sie dort mit ihm anstellten, aber bei seiner Rückkehr war er jedes Mal noch schlimmer als vorher; er war noch frommer

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