So stirbt kein Held
»Und nun hör gut zu, Amber.
Mir liegt nichts an Bannings Skalp. Nimm ihn und
werde glücklich. Aber sag ihm, er soll mich in Frieden lassen und Bliss nicht
mehr meinetwegen in den Ohren liegen, sonst tut es ihm noch leid — und dir auch .«
»Du drohst mir ?« fragte sie erstickt.
»So könnte man’s nennen«, sagte
er gelassen. »Deshalb vergiß nicht, es Banning auszurichten, ja ?«
Er ging zur Tür, öffnete sie,
dann sah er Amber noch einmal an.
»Vielleicht erinnerst du dich,
daß in solchen Dingen mit mir nicht gut Kirschen essen ist — das erzählst du am
besten auch ihm .« Damit stieg er hinaus und drückte
die Wohnwagentür sanft hinter sich ins Schloß.
»Was glaubt er eigentlich, wer
er ist ?« beschwerte sich Amber. »Wagt es, mir zu
drohen !«
»Wenn man bedenkt, daß Sie
einmal Mrs. Kemp waren«, sagte ich versonnen. »Das
müssen aufregende vier Tage gewesen sein !«
Die verlassene Mine samt der
Hütte, wo die große Szene gedreht werden sollte, lag etwa eine Meile vom
Wohnwagen-Camp entfernt. Ich hielt es für angebracht, zu Fuß hinzugehen, weil
ich das als Gymnastik brauchte — und deshalb schlug ich Mr. Ivorsens Angebot aus, mich im Cadillac hinzufahren; man soll’s mit der Gymnastik ja auch
nicht übertreiben.
Als ich hinkam, erkannte ich,
daß Mr. Bliss bei seinem Jubiläumsfilm keinerlei Risiko eingegangen war und den
besten Regisseur verpflichtet hatte, den er kannte — sich selbst. Alles wartete
aufs Startzeichen — Kameras, Mikrofone, Kräne, Lautsprecher, Kabel — und der
Irrsinn. Trotzdem war Mr. Bliss nicht zu übersehen: Er saß in einem Stuhl, auf
dessen Lehne sein Name in Großbuchstaben stand. Ich ging hin und wollte ihm von Jaso Kemp erzählen, aber er hörte mich nicht an. Er
meinte, ich solle später wiederkommen.
Aus einem Augenwinkel sah ich
Mr. Ivorsen und Mr. Toro heranrücken, weshalb ich mich schleunigst verdrückte. Und weil ich dabei
ständig über die Schulter zurückblickte, konnte ich nicht genau sehen, was vor
mir war; deshalb prallte ich kurz darauf gegen etwas schmerzhaft Solides, das
sich als Drew Fenelk entpuppte. Er sah mich von oben
herab an, als sei er gegen mich allergisch, dann schloß er die Augen und tat,
als hoffe er, jemand werde mich mit irgendeinem Virus ausrotten, solange er nur
nicht hinschaute.
»Ich denke, Sie sind schon auf
dem Rückweg nach Los Angeles, Mr. Fenelk ?« sagte ich heiter, um ein bißchen Konversation zu machen.
Er schlug die Augen wieder auf
und musterte mich kalt. »Lucian wird mich bald brauchen«, sprach er mit hohler
Stimme. »Ich gehöre nicht zu den Leuten, die einen Freund in der Not verlassen .«
»Da sind Sie gewiß am rechten
Ort«, sagte ich und sah zur Hütte und dem Bergwerk hinüber. »Ansonsten ist hier
nämlich alles ziemlich verlassen .«
Fenelk kam nicht mehr zu Wort, denn
in diesem Augenblick brüllten mindestens sechs Mann: »Ruhe !« ,
so laut sie konnten. Mr. Bliss begann mit der ersten Probe zu der Szene, die
hier gedreht werden sollte.
Nachdem man sie sechsmal
geprobt hatte, meinte er, nun könne man auch mal drehen, und alles blickte
recht hoffnungsfroh drein; man rechnete gewiß damit, daß die Klappe höchstens
zehnmal fiel, bis die Szene gestorben war.
Na, mir jedenfalls kam’s vor,
als werde eine Menge unnötiger Staub aufgewirbelt, aber Mr. Bliss nahm es halt
mit allem sehr genau. Dabei ging’s im Grunde nur um eine Banalität: Nachdem der
Erzschurke das Saloonmädchen im Kaktus eingefangen
und zur Hütte zurückgeschleppt hat, ist er so sehr damit beschäftigt, sie
drinnen weiter herumzujagen , daß Shep Morrow (den spielt Lee Banning , wissen Sie noch?) und
sein Mitstreiter sich unbemerkt an die Hütte ranpirschen können. Dann ruft Shep , der Schurke solle mit
erhobenen Händen herauskommen. Daraufhin — aber das haben Sie wohl schon
erraten — kommt der Erzbösewicht tatsächlich raus, aber vor sich her schiebt er
das Saloonmädchen , und wie jedermann weiß, schießt
kein echter Westernheld, wenn die Kugel ein Loch ins Mieder eines armen Girls
brennen könnte.
Während Shep und sein Schatten sich also nach einem Schiedsrichter umschauen, schießt der
hundsgemeine Schurke den Gehilfen nieder (später stellt sich freilich raus, daß
es nicht weiter schlimm ist, nur ein Kratzer am Herzen oder so), und dann
trifft er auch noch den Helden in die Schulter. In diesem Augenblick beißt das Saloongirl dem Bösewicht mutig in die Hand, wodurch er sie
loslassen muß und der Held
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