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So unselig schön

So unselig schön

Titel: So unselig schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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Herd und trug zuerst den Teller auf den Balkon. Als er zurückkehrte, um den Wein zu holen, klingelte es an der Wohnungstür. Merde. Verärgert ging er in den Flur.
    Gina stand vor der Tür. Das Noir ihrer Augen war tiefer als sonst. »Wir müssen reden. Denke ich. Kann ich reinkommen?«
    Einen Moment zögerte er, dann trat er zur Seite, ließ sie ein und schloss die Tür. Im quadratischen Vorraum standen sie sich gegenüber. Aus der Küche zog der Duft nach Essen, Norah Jones’ Stimme klang wie raue, rissig gewordene Hände, die seine Seele berührten. Vermutlich hatte er zu viel getrunken.
    »Störe ich dich beim Essen?«
    »Kein Problem.« Er machte keine Anstalten, sie weiter herein zu bitten, und bot ihr kein Glas Wein an wie sonst. Er fühlte sich wie gelähmt.
    »Warum tust du das? Behandelst mich wahlweise, als wäre ich psychisch nicht in der Verfassung, meinen Job zu machen, oder lässt mich abblitzen, wenn ich Ergebnisse vorzuweisen habe. Und dann halst du auch noch Alois einen Berg Arbeit auf, von dem ich gut die Hälfte übernehmen könnte. Warum? Was mache ich falsch?«
    »Es tut mir leid, wenn du das so siehst. So habe ich es nicht gemeint.« Er hörte selbst, wie dünn das klang.
    »Ach. Wie dann? Was für ein Problem hast du plötzlich mit mir? Ich dachte, wir sind Freunde, können reden, und jetzt fängst du so Scheißspielchen an, bittest mich nicht mal richtig herein …«
    Ein unterschwelliger Tonfall schlich sich zwischen den Zorn. Verletztheit und noch etwas anderes, Unbekanntes. Auf einmal befürchtete er, sie würde sich gleich abwenden und gehen. »Entschuldige. Das war gedankenlos von mir. Magst du Rosé?«
    Sie nickte und folgte ihm in die Küche, wo er für sie ein Glas einschenkte und nach seinem griff. Schweigend tranken sie. Instinktiv spürte er, dass es um etwas anderes ging. Zwang sie ihn, das Thema endlich anzusprechen? War das vielleicht die letzte Möglichkeit, die sie ihm gab? Er stellte sein Glas auf dem Küchentisch ab und schloss die Balkontür. In der spiegelnden Scheibe sah er Gina, wie sie wieder einmal die Unterlippe unter die Schneidezähne zog. All the voices that are spinnin’ around me, trying to tell me what to say. Er gab sich einen Ruck. »Es hat nichts mit dir zu tun, sondern mit mir«, sagte er zu ihrem Spiegelbild. »Du hast das nie angesprochen, und ich war zu feige dazu.« Der Anfang war gemacht. Er drehte sich um, sah ihre Augen auf sich gerichtet, von denen er geglaubt hatte, sie wären das Letzte, das er in seinem Leben sehen würde. Wieder fühlte er das Wasser kalt über sich zusammenschlagen, wieder zog diese Kraft ihn in die Tiefe, sah er wirbelnde Gischt, spürte den Druck auf seiner Lunge und die Gier zu atmen.
    »Was hätte ich denn ansprechen sollen?«, fragte sie.
    »Dass ich nicht gewusst habe, wann ich loslassen muss, dass ich dich umgebracht hätte … Du hast dein Leben riskiert, und ich … ich hätte loslassen müssen, als ich gemerkt habe … anstatt dich mit in die Tiefe zu ziehen … Wenn nicht der Schorsch …« Er fuhr sich über die Augen. »Es tut mir leid. Das war so selbstsüchtig und unverzeihlich.«
    Ihr Blick wurde hart, die Augen bekamen einen blauen Schimmer, der Mund verspannte sich. »Du bist ein solcher Depp«, stieß sie hervor. »Du hast das noch immer nicht kapiert.« Sie machte auf dem Absatz kehrt und stolperte aus der Küche.
    Ihre Worte trafen ihn wie ein Schlag. Auf dem Vorplatz holte er sie ein, packte sie am Arm, riss sie herum. »Was? Was habe ich nicht kapiert?«
    Sie schüttelte seine Hand ab. »Ich wäre lieber mit dir gestorben, als ohne dich zu leben! So, nun weißt du das!«
    Schweigend standen sie sich in einem Niemandsland gegenüber. Er erschrocken über die Bedeutung ihrer Worte, sie unsicher. Der Zorn war aus ihrem Gesicht gewichen. Ihre Augen ruhten in seinen, spiegelten Verwunderung über ihren Mut und Angst vor seiner Zurückweisung.
    Hundert Gedanken wirbelten durch seinen Kopf. Sie liebte ihn. Er dagegen fühlte sich nur zu ihr hingezogen, ein flüchtiges Gefühl, das vielleicht nicht wachsen und ihren Gefühlen für ihn ebenbürtig werden würde … und dann? … er würde sie verletzen, ihr weh tun … ihre Freundschaft für immer zerstören …
    Nightingale sing us a song.
    »Ja. Also, nun weißt du das.« Gina lächelte. Besser gesagt, sie versuchte es. »Hab mir schon gedacht, dass dich das überfordert. Vergiss es einfach, ja?«
    »Ach, Gina.« Er nahm sie in den Arm. »Es tut mir

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