So wahr uns Gott helfe
erledigen. Bei einem Prozess spielte es eine wesentlich wichtigere Rolle, wer aussagte, als was diese Aussage beinhaltete. Es ging vor allem darum, den Geschworenen seine Sicht der Dinge zu verkaufen, und Shami konnte einem abgebrannte Streichhölzer andrehen. Der Gutachter der Anklage war ein Langweiler mit der Ausstrahlung eines Reagenzglases. Meine Gutachterin hatte dagegen eine Fernsehserie mit dem Titel Chemically Dependent moderiert.
Ich hörte ein Raunen des Wiedererkennens, als sie den Saal betrat. Aller Augen waren auf sie gerichtet, als sie den Mittelgang hinunter und durch die Schranke zum Zeugenstand ging. Sie trug ein marineblaues Kostüm, das sowohl ihre Figur als auch ihre blonde Lockenpracht hervorragend zur Geltung brachte. Sogar Richter Stanton schien sichtlich angetan. Bevor sie auch nur vereidigt worden war, bat er bereits den Gerichtsdiener, ihr ein Glas Wasser zu bringen. Dem Langweiler der Anklage hatte er einen feuchten Dreck angeboten.
Nachdem sie ihren Namen genannt und buchstabiert und geschworen hatte, nichts als die Wahrheit zu sagen, stand ich auf und ging mit meinem Notizblock ans Pult.
»Guten Tag, Dr. Arslanian. Wie geht es Ihnen?«
»Bestens, und danke der Nachfrage.«
Sie hatte den Anflug eines Südstaatenakzents.
»Bevor wir uns Ihrem Lebenslauf zuwenden, möchte ich gleich zu Beginn eines klarstellen. Sie sind eine bezahlte Gutachterin der Verteidigung, ist das richtig?«
»Ja, das ist richtig. Ich werde für meine Anwesenheit hier bezahlt, aber nicht dafür, etwas anderes zu bezeugen als meine eigene Meinung, ob sie nun im Sinn der Verteidigung ist oder nicht. Das sind meine Geschäftsbedingungen, an denen ich unabänderlich festhalte.«
»Gut, dann sagen Sie uns bitte, woher Sie kommen, Doktor Arslanian.«
»Zur Zeit lebe ich in Ossining im Staat New York. Aufgewachsen bin ich in Florida, die letzten Schuljahre und meine Studienzeit habe ich in der Region Boston verbracht.«
»Shamiram Arslanian. Das hört sich nicht gerade wie ein Name aus Florida an.«
Sie lächelte strahlend.
»Mein Vater ist Armenier. Deshalb bin ich zur Hälfte Armenierin, zur Hälfte ein Kind des Staates Florida. Als ich klein war, meinte mein Vater immer, ich stamme in Wirklichkeit aus Armageddon.«
Viele im Gerichtssaal lachten leise.
»Wie sieht es mit Ihrer forensischen Qualifikation aus?«, fragte ich.
»Also, ich habe zwei akademische Grade. Einen Master in chemischer Verfahrenstechnik am MIT, dem Massachusetts Institute of Technology. Im Anschluss daran habe ich noch meinen Doktor in Kriminologie gemacht. Er wurde mir am John Jay College in New York verliehen.«
»Weil Sie sagen, er wurde Ihnen verliehen – handelt es sich dabei um einen Ehrendoktortitel?«
»Aber nein«, antwortete sie mit Nachdruck. »Für diesen dämlichen Doktor vor dem Namen habe ich mich zwei Jahre lang schwer reingehängt.«
Dieses Mal schallte lautes Gelächter durch den Saal, und ich stellte fest, dass sogar der Richter lächelte, bevor er den Saal mit einem einmaligen höflichen Klopfen seines Hammers zur Ordnung rief.
»In Ihrem Lebenslauf habe ich gelesen, dass Sie auch zwei Bachelors haben. Stimmt das?«
»Es sieht ganz so aus, als hätte ich von allem immer zwei. Zwei Kinder. Zwei Autos. Sogar zwei Katzen habe ich. Sie heißen Wilbur und Orville.«
Ich blickte zum Tisch der Anklage hinüber und bemerkte, dass Golantz und seine Assistentin geradeaus nach vorn blickten und sich nicht einmal den Ansatz eines Lächelns entlocken ließen. Darauf schaute ich zur Geschworenenbank und stellte fest, dass zwölf Augenpaare wie gebannt auf meine Zeugin geheftet waren. Sie fraßen ihr schon aus der Hand, obwohl es noch gar nicht richtig losgegangen war.
»In welchen Fächern haben Sie die Bachelors?«
»Einen in Harvard für Maschinenbau und einen vom Berklee College of Music. Ich habe beides gleichzeitig studiert.«
»Sie haben Musik studiert?«, sagte ich mit gespielter Überraschung.
»Ja, ich singe gern.«
Mehr Gelächter. Ein Treffer folgte auf den anderen, eine Überraschung auf die nächste. Shami Arslanian war die perfekte Zeugin.
Golantz erhob sich und wandte sich an den Richter.
»Euer Ehren, die Anklage möchte die Zeugin darum bitten, ihre Aussagen zu forensischen Fragen zu machen und nicht zu ihren musikalischen Vorlieben oder ihren Haustieren oder sonstigen Dingen, die ohne Relevanz für die ernsthafte Angelegenheit dieses Prozesses sind.«
Widerstrebend forderte mich der Richter auf,
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