Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
Vom Netzwerk:
nicht in der Wohnung angetroffen. Nur die »Verlobte« war anwesend gewesen – und die musste demnach auch die Gießkanne aus dem Fenster geworfen haben. Paulo da Costa bedachte seinen Schützling Figueiredo mit einem strafenden Blick, als habe der im entscheidenden Moment versagt. In Wahrheit war es ihm nur auf diese junge Frau angekommen, aber das brauchte ja niemand zu wissen.
    »Name?«, blaffte er die verängstigte Frau an.
    »Marisa Monteiro Cruz.«
    »Geboren?«
    »Ja.«
    »Wo?«
    »In Lissabon.«
    »Wann?«
    » 1941 .«
    »Tag, Monat?«
    » 23 . April.«
    »Wohnhaft?«
    »In Lissabon.«
    »Straße?«
    Marisa ärgerte sich maßlos. Dieses Arschloch fragte sie nun schon zum fünften Mal, und immer wieder zog er diese ganze Prozedur durch. Immer wieder gab sie die gleichen Antworten. Sie wusste genau, wie es weitergehen würde. Und so war es auch. Eine geschlagene Viertelstunde zog er ihr Einzelheiten aus der Nase, die er mit einem Blick in ihren Ausweis hätte feststellen können. Reine Zermürbungstaktik. Sie würde nicht klein beigeben. Allerdings musste sie mal. Irgendwann würde sie darum bitten müssen, die Toilette aufzusuchen.
    »Warum haben Sie einen Beamten der Staatspolizei attackiert?«
    »Das habe ich nicht.«
    »Möchten Sie, dass ich Ihnen erneut die Zeugenaussagen vortrage? Die Dame aus dem Zeitungsladen, der Müllmann sowie ein Passant haben gesehen, wie Sie Ihre kleine ›Bombe‹ abgeworfen haben.«
    »Aber ich habe nicht den Beamten attackiert.«
    »Wen sonst?«
    »Niemanden im Besonderen. Ich war wütend.«
    »Weil der Beamte vor Ihrem Haus stand.«
    Diese Frage beantwortete Marisa nicht. Ja, natürlich weil der Beamte vor dem Haus stand. Aber wie hätte sie ahnen sollen, dass es einer von der berüchtigten DGS  – der Direção-Geral de Segurança, wie die Nachfolgebehörde der PIDE jetzt hieß – war? Wenn sie das gewusst hätte, hätte sie schon lange vorher das Weite gesucht. Es gingen die schlimmsten Gerüchte über die Geheimpolizei, deren Macht auch nach dem Tod des Diktators ungebrochen war. Wenn nur die Hälfte davon stimmte, dann konnte sie froh sein, wenn man sie nicht für Jahre in eine Einzelzelle sperrte. Wegen einer Gießkanne. Wegen eines Missverständnisses. Wegen ihrer kindischen Wut auf Ricardo.
    »Weil der Beamte vor Ihrem Haus stand«, wiederholte der Mann seine Frage, die er nicht als solche formulierte.
    »Nein!«
    »Sondern?«
    »Weil ich wütend auf … meinen Freund war.«
    »Ihren Verlobten.«
    »Nein. Ja.«
    »Etwas genauer, wenn ich bitten darf.«
    Was sollte sie jetzt sagen? Wenn sie behauptete, sauer auf Cristiano gewesen zu sein, würden die Mistkerle sie bei Cristianos erster Vernehmung sofort widerlegen können. Aber Ricardo wollte sie hier nicht ins Spiel bringen. Herrje, er hatte ihr sein Herz zu Füßen gelegt, und sie war darauf herumgetrampelt!
    »Ja. Auf meinen Verlobten.«
    »Cristiano Virgílio José Maria da Silva Nunes.«
    »Ich kenne ihn nur als Cristiano Nunes.«
    »Warum?«
    »Wie, warum? Weil er sich mir nie anders vorgestellt hat.«
    »Warum waren Sie wütend auf ihn?«
    »Ach, nur so.«
    »Pflegen Sie öfter ›nur so‹ Gießkannen aus dem Fenster zu werfen?«
    »Nein.«
    »Also: Warum?«
    »Weil ich die Vermutung habe, dass er mir untreu ist.«
    »Und diese Erkenntnis kam Ihnen just in dem Moment, als Sie Ihr Geschoss abwarfen.«
    »Ja. Genauer gesagt: Minuten vorher.«
    »Warum? Haben Sie mit ihm telefoniert?«
    »Nein.«
    »Also eine spontane Erleuchtung?«
    »So könnte man sagen.«
    »Und mit wem haben Sie telefoniert, wenn nicht mit Ihrem Verlobten?«
    Das war neu. Alle vorherigen Fragen hatte sie bereits x-mal gehört. Diese letzte hatte der Kommissar bisher noch nicht gestellt. Endlich begriff Marisa. Die Leute wurden träge im Kopf, bei all der monotonen Fragerei – und wenn dann eine wichtige Frage kam, schalteten sie nicht rechtzeitig.
    »Mit niemandem.«
    »Doch. Wir haben eine Aufstellung Ihrer Verbindungen.«
    »So? Na, dann wissen Sie ja, mit wem ich gesprochen habe.«
    »Nein, wir wissen nur, welche Nummer Sie gewählt haben.«
    »Ich wollte einen Rundflug buchen.«
    »Aha.«
    Paulo sah die Verdächtige hohntriefend an. Gleich hatte er sie.
    »Kurz bevor Sie einen Beamten der Staatspolizei attackierten und nachdem Sie sich gerade furchtbar über Ihren Verlobten aufgeregt hatten, haben Sie noch schnell einen Anruf getätigt, weil Sie spontan Lust auf einen kleinen Rundflug bekamen.«
    »Ja.« Marisa wusste, dass

Weitere Kostenlose Bücher