So weit der Wind uns trägt
sowie die Vergaservorwärmung überprüfen und Magnetcheck durchführen. Dann noch Rudergängigkeit gecheckt, Klappen gesetzt, und auf ging es. Vollgas, heftiges Ruckeln über die Piste, und bei 50 Knoten das Bugrad sanft angehoben. Und schwups – schon waren sie in der Luft. Die Klappen auf 10 Grad einfahren, eine sofortige Zunahme an Tempo spüren und die Häuser und Bäume immer kleiner werden lassen.
Es war einfach göttlich! Alberto Baião fühlte sich in diesem kleinen Flugzeug schon nach den ersten Flugstunden so wohl und so sicher, dass er vollkommen unverkrampft mit Ricardo, mit dem er sich längst duzte, über belanglose Vorkommnisse aus dem Dorf plauderte. Jetzt, als sie ihre Flughöhe von dreitausend Fuß erreicht hatten, zündete er sich eine Zigarette an. Er rauchte schweigend. Danach öffnete er das Fenster und ließ ein bisschen von der frischen Luft herein, die hier oben schon deutlich kühler war. Ricardo sagte keinen Ton. Das war merkwürdig. Sonst war er immer ganz heiß auf Klatsch. Wahrscheinlich weil er so einsam war auf Belo Horizonte und nichts erlebte. Nicht einmal eine Frau hatte er. Schräger Vogel.
Plötzlich wurde es ganz leise. Ricardo hatte das Triebwerk abgestellt. »So, dann zeig mal, ob du die Notlandeübung noch hinbekommst.«
Alberto fühlte sich leicht beklommen. Aber er griff nach dem Handbuch, ging genauestens nach Liste vor und nahm schließlich ein langes Stoppelfeld ins Visier, das ihm perfekt geeignet erschien. Keine Bäume, keine Strommasten, keine Menschen oder Tiere. Für eine echte Notlandung ohne Motorleistung, bei der man sich ausschließlich auf die Gleiteigenschaften des Flugzeugs verlassen musste und nicht im letzten Moment noch Gas geben und durchstarten konnte, wie sie es bei der Übung tun würden, wäre ein solches Feld ideal. Er konzentrierte sich voll auf das Manöver. Er begann zu schwitzen. Aber alles lief glatt. Als sie beinahe den Boden erreicht hatten, starteten sie durch. Ah, besser als Achterbahn! Im Anschluss führten sie einen
stall
durch, eine Notfallübung mit Strömungsabriss, dann forderte Ricardo ihn zum Tiefflug auf, danach zu verschiedenen Steilkurven. Schließlich, als Albertos Hemd schon völlig durchgeschwitzt war, übernahm Ricardo das Steuer und vollführte einen Salto. »Das wolltest du doch immer, oder nicht?«, fragte Ricardo. »Ist denn das Flugzeug dafür überhaupt ausgelegt?«, gelang es Alberto zu fragen. »Klar. Ist doch eine 150 er Aerobat.« Alberto nickte wissend und hoffte, dass man ihm nicht ansah, wie er gegen den Brechreiz ankämpfte.
Im Garten seines neu errichteten Häuschens stand Fernando Abrantes und beobachtete das kleine Flugzeug. Er war ein wenig neidisch – am liebsten hätte er mit in dem Apparat gesessen und wäre in waghalsigen Manövern über seinen geliebten Alentejo gekurvt. Mehr als Neid jedoch verspürte er einen unbändigen Zorn. Dieser
Cowboy!
Der ließ seine Schüler doch extra Notlandeübungen in unmittelbarer Nähe seines, Fernandos, Grundstücks durchführen, um ihn zu ärgern. Vielleicht sollte er mitten auf dem Feld, das zu dieser Jahreszeit natürlich optimal für diese Übung geeignet war, einen Obelisken aufstellen. Oder ein tiefes Loch graben. Irgendetwas, was dem Feld seine Landebahneigenschaften nahm. Aber nein, das war ja Blödsinn. Er würde den korrekten Weg gehen und bei der zuständigen Behörde Beschwerde einlegen. Es konnte ja nicht angehen, dass ein aggressiver Pilot die Anwohner ungehindert drangsalieren durfte.
Fernando wandte sich wieder seinem Gemüsebeet zu. Er erntete eine Handvoll Karotten, rieb die Erde von ihnen ab und ging damit ins Haus. Nun ja, von Haus konnte nicht wirklich die Rede sein. Es war mehr eine Hütte, eine Gartenlaube. Das Häuschen bestand aus nur einem einzigen Raum. Es gab darin keinen elektrischen Strom und kein fließendes Wasser. Aber er hatte eine Wasserpumpe gebaut, hatte es dank eines Kamins warm und konnte mit Gas, von dem er mehrere Flaschen beschafft hatte, kochen. Er hatte ein Plumpsklo angelegt und sich große Vorräte an Kerzen sowie zwei Spirituslampen besorgt. Was brauchte man mehr? Es war das reinste Paradies, und Fernando verbrachte inzwischen viel mehr Zeit hier, als es Elisabete gefiel. Etwas lästig war nur die Fahrerei. Er sah und hörte nicht mehr so gut, daher fuhr er äußerst bedächtig und langsam. Vier Stunden für die einfache Strecke musste er schon einkalkulieren. Aber das lohnte sich, denn trotz seines verhassten
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