So weit die Hoffnung trägt - Roman
einzufordern. Zu ihrer großen Verblüffung wurden sie wegen vorsätzlichen Mordes festgenommen, vor Gericht gestellt und zum Tod durch den Strang verurteilt, alles an ein und demselben Tag. Zum Glück für die Brüder setzte sich der Gouverneur für sie ein und begnadigte die beiden Männer.
Die Geschichte, die den Banditen als Helden feiert, war weniger freundlich zu den Ford-Brüdern und stellte sie als Verräter und Feiglinge dar. Nachdem er einen Teil der ausgesetzten Belohnung erhalten hatte, verdiente sich Robert Ford seinen Lebensunterhalt, indem er in kleinen Museen als »der Mann, der Jesse James erschoss« für Fotos posierte. Außerdem trat er mit seinem Bruder Charles in einer Tourneeshow auf und spielte den Mord auf offener Bühne nach – was nicht gut ankam.
Zwei Jahre nach dem Mord nahm sich Charles, der an Tuberkulose litt und morphinabhängig war, das Leben. Robert Ford wurde einige Jahre später von einem Mann getötet, der in einer Bar auf ihn zutrat, dann ohne Erklärung »Hallo, Bob« sagte und ihm beide Ladungen einer Schrotflinte in den Nacken pustete.
Während ich am Souvenirtresen des Hauses ein Buch über Jesse James kaufte, fragte ich mich, warum wir Menschenso fasziniert von Gesetzlosen sind. Von Billy the Kid bis zu Al Capone haben wir Gangster immer verehrt. Tun wir das, weil wir uns gut damit fühlen, dass wir nicht so böse sind – oder weil wir in unserem tiefsten Innern gar nicht so gut sind? Oder vielleicht sind wir einfach nur besessen von Ruhm – egal, worauf er beruht.
Auf dem Weg zurück zu meinem Hotel hielt ich an dem dritten angepriesenen Ort: dem Glore-Psychiatriemuseum. Ich wünschte, ich hätte es nicht getan. Irgendetwas an dem Museum erinnerte mich an diese Spuk-Lagerhäuser, die jedes Jahr an Halloween in den Städten auftauchen.
Das vierstöckige Museum ist eine Sammlung grauenhafter, lebensgroßer Dioramen, und die Geisteskranken werden dabei von Schaufensterpuppen verkörpert, die ein örtliches Kaufhaus gespendet hat. Die Ausstellungsräume im ersten Stock erzählen die Geschichte der Behandlung Geisteskranker, von Hexenverbrennungen und »Teufelsstampfen« (früher glaubte man, dass böse Geister aus einem Menschen »herausgestampft« werden könnten) bis zu dem eher wissenschaftlichen Überraschungsbad (einer Vorrichtung, die den »Tauchkästen« ähnelt, die man heutzutage auf Jahrmärkten findet, nur dass dabei ein riesiger Bottich mit Eiswasser verwendet wurde).
Außerdem gab es ein funktionstüchtiges Modell der O’Halloran-Schleuder , bei der die Geisteskrankheit aus den Patienten herausgeschleudert werden sollte. Das Gerät schaffte bis zu hundert Umdrehungen pro Minute, während die Patienten darin festgeschnallt waren.
Im zweiten Stock hielten die eher zeitgenössischen Ausstellungsstücke ihr eigenes Grauen bereit, darunter Schaufensterpuppen, die an Tische geschnallt und mit Tüchern bedeckt waren, Lobotomie-Instrumente, ein Krankenhauskäfig und ein Fieberkabinett, um Syphilispatienten zu erhitzen.
Ein Ausstellungsraum zeigte die 1446 Gegenstände, die eine Patientin verschluckt hatte, darunter 453 Nägel, 42 Schrauben, unzählige Sicherheitsnadeln, Löffel und Schraubverschlüsse von Salz- und Pfefferstreuern. Die Frau starb während der Operation, bei der ihr die Gegenstände entfernt werden sollten.
Ein anderer Ausstellungsraum zeigte etwas, was der Fernsehtechniker der Anstalt entdeckt hatte: über fünfhundert Notizzettel, die in einen Fernseher gestopft waren; Antworten auf die Fragen, die einem Patienten von unzähligen Psychiatern im Laufe der Jahre gestellt worden waren.
Das Museum erschien mir ebenso schizophren wie einige der Leute, für die es angeblich eintrat. Einerseits prangerte es lautstark die Grausamkeiten an, mit denen die Menschheit die Geisteskranken behandelte – so wurde zum Beispiel erwähnt, dass die Bewohner Londons früher Eintritt bezahlten, um durch die Anstalt Bedlam zu gehen und die darin festgeketteten oder angeschnallten Patienten zu sehen. Andererseits schien das Museum selbst genau das zu tun – es beutete das Leid psychisch Kranker mit der ganzen Theatralik einer Jahrmarkts-Freakshow aus.
Nach nicht einmal einer halben Stunde floh ich. Als ich wieder bei meinem Hotel ankam, das nur ein paar Meilen weit entfernt lag, war ich immer noch aufgewühlt. Ich fand keinen Schlaf, daher sah ich mir eine geistlose Sitcom im Fernsehen an, um die Erinnerung an das, was ich gesehen hatte,
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