So weit die Hoffnung trägt - Roman
Ich hoffe, es ist okay. Es ist ein Schweizer Armeemesser.«
Sie schüttelte den Kopf. »Er bettelt mich seit fast einem Jahr um eines an. Ich habe immer Nein gesagt.«
»Tut mir leid«, sagte ich.
Sie grinste. »Schon gut. Ich bin nur überfürsorglich. Danke, dass du das für ihn getan hast.«
»Gern geschehen.«
»Augenblick noch.« Sie verschwand mit der Milchpackung und kam gleich darauf wieder. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich kann nicht glauben, dass ich das Gefühl habe, gleich in Tränen auszubrechen. Ich kenne dich nicht einmal.«
»Du kennst mich besser, als du glaubst. Wir gehören zum selben Club.«
Sie nickte. »Ich wünschte, ich könnte meine Mitgliedschaft widerrufen.«
»Das wünschen wir uns alle.«
Sie starrte mir in die Augen. »Danke, dass du mir Hoffnung gegeben hast.« Sie holte etwas aus der Hosentasche. »Wirst du das mit nach Key West nehmen?«
»Was ist das?«
»Das ist das Armband, das ich gemacht habe, als ich von Matts Tod erfuhr.« Es war ein schlichtes schwarzes Band mit einem kleinen Zinn-Oval, auf dem Glaube stand.
Ich schloss meine Hand darum. »Danke.«
»Gern geschehen. Wenn du dran denkst, besuch mich mal. Du weißt ja, wo du mich findest.« Wir umarmten uns. Dann sah sie mir ins Gesicht und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Mach’s gut.«
»Mach’s gut, Analise.«
Sie ging zur Tür, dann wandte sie sich noch einmal um. »Zieh die Tür einfach hinter dir zu.«
Ich nickte, und sie ging hinaus. Ich trat auf die Veranda und sah zu, wie sie in ihren Truck stieg. Sie sah noch einmal zu mir zurück, während sie rückwärts aus der Auffahrt fuhr. Casey winkte. Und Christian. Und schließlich fuhren sie davon.
Ich holte einmal tief Luft und atmete langsam aus. Ich fragte mich, ob ich sie je wiedersehen würde. Ich betrachtete das Armband, das sie mir geschenkt hatte, und legte es um. Dann ging ich wieder ins Haus. Ich nahm mir eine Banane vom Tresen, dann schulterte ich meinen Rucksack und trat wieder auf die Veranda. Ich schloss die Tür und vergewisserte mich, dass sie fest zugezogen war.
Am Rand des Gartens blieb ich stehen und sah noch einmal auf das Haus. Nur eine weitere Geschichte unter der Sonne , dachte ich. Dann wandte ich mich wieder zur Straße um. Ich brauchte keine zwanzig Minuten, um Sidney hinter mir zu lassen.
Zwanzigstes Kapitel
Einem Mann mit einer John-Deere-Kappe kann
man immer vertrauen.
A LAN C HRISTOFFERSENS T AGEBUCH
Gleich hinter Sidney kamen etliche Straßenbaustellen und so viele Umleitungen, dass ich mir manchmal – trotz Karte – nicht sicher war, ob ich in die richtige Richtung ging. Irgendwie genau wie in meinem Leben. Eine Umleitung führte mich sogar zu einer Straße, die nicht einmal in meiner Karte verzeichnet war. Nachdem ich etwa eine Stunde an einer schmalen, zweispurigen Landstraße entlanggelaufen war, hielt ein Mann in einem roten Dodge-Pick-up-Truck neben mir. Er war etwa in meinem Alter und trug eine John-Deere-Kappe. Er kurbelte sein Fenster herunter. »Sie gehen in die falsche Richtung.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte ich.
»Die einzigen Leute, die in diese Richtung gehen, leben an dieser Straße. Wohin wollen Sie denn?«
»St. Joseph.«
»Na ja, wissen Sie noch diese letzte Abzweigung, an der Sie vorbeigekommen sind – etwa eine halbe Meile hinter uns?« »Die Schotterstraße?«
Er nickte. »Ja. Die hätten Sie nehmen müssen. Es ist nur etwa hundert Meter weit Schotter, dann wird es wieder Asphalt. Sie verläuft nach Süden und stößt dann wieder auf die 29. Ich fahre in die Richtung, ich kann Sie gern mitnehmen.«
»Danke, aber ich habe mir vorgenommen, zu Fuß zu gehen.«
»Schön für Sie«, sagte er. »Vergessen Sie nicht, eine halbe Meile zurück bis zu dieser Schotterstraße. Da ist kein Schild, und an manchen Stellen gibt es ein paar Löcher im Asphalt, aber lassen Sie sich davon nicht abschrecken. Wenn sich die Straße gabelt, müssen Sie rechts abbiegen. Dann kommen Sie zur 29. Alles klar?«
»Bei der Gabelung rechts.«
»Genau.«
»Vielen Dank«, sagte ich.
»Gern geschehen.« Er kurbelte das Fenster hoch, dann fuhr er wieder los und machte vor mir eine Kehrtwende. Ich begriff, dass er an seiner eigenen Abzweigung vorbeigefahren war, nur um mir zu helfen.
Die Straße, zu der der Mann mich geschickt hatte, war abwechselnd asphaltiert und geschottert, aber ich war immer von Maisfeldern umgeben. Wie er gesagt hatte, führte mich die Straße nach Süden, bis sie sich
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