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So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock

Titel: So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melda Akbas
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besser nicht schreiben sollen! Als hätte ich damit den Ärger erst heraufbeschworen. Es muss nämlich nicht unbedingt ein Minirock sein, Baba - also mein Vater - findet in letzter Zeit so ziemlich alles anstößig, was ich anziehe. Gerade wollte ich eine Pause einlegen und mich kurz mit meiner Tante Zeynep treffen, die gleich um die Ecke wohnt. Ich hatte die Klinke der Wohnungstür schon nach unten gedrückt, als ich meinen Namen hörte. Baba rief aus dem Wohnzimmer, laut und streng, sodass ich es nicht ignorieren konnte.
    Ich mache also kehrt, und als ich seinen abschätzenden Gesichtsausdruck sehe, mit dem er mich vom Kopf bis zu den Füßen mustert wie ein Offizier seine Rekruten beim Morgenappell, ahne ich, was jetzt kommt.

    »Willst du so auf die Straße gehen?«, fragt er prompt. Und es ist nicht einfach nur eine harmlose Frage. In seiner Stimme schwingt gleich der Vorwurf mit, das könne ja wohl nicht mein Ernst sein. Ich sehe an mir herunter: Jeans, weißes Top, darüber eine schwarze Weste. Was gibt es daran auszusetzen? Zugegeben, die Jeans ist ziemlich eng, skinny, wie das jetzt modern ist. Und das Top hat einen Ausschnitt, aber bestimmt keinen übertriebenen.
    »Ja, wieso?«, frage ich unschuldig zurück.
    »Zieh dich sofort um!«, höre ich im Befehlston. »So lasse ich dich nicht raus!«
    Baba neigt nicht dazu, jedes Thema groß auszudiskutieren. Da bin ich anders. Vor allem, wenn ich mich ungerecht behandelt fühle. Mir ist zwar klar, dass ich gegen ihn doch nichts ausrichten kann. Aber wenn ich mich jetzt, mit achtzehn, nicht widersetze, wann denn dann? Noch habe ich Hoffnung: Ich muss nur oft genug protestieren, dann wird er es eines Tages schon einsehen und toleranter sein.
    »Baba, ich bin achtzehn! Ich tue, was ich will!«
    »Dann schließe ich die Tür ab! So gehst du nicht raus!«
    »Ich sehe doch völlig okay aus.«
    »Du rennst rum wie ein Hippie!«
    »Gut, wenn du meinst. Wo ist das Problem?«
    »Du bist ein Mädchen! Mädchen gehen so nicht auf die Straße.«
    »Hast du dich mal draußen umgesehen? Viele laufen so rum, sehr viele sogar.«
    »Was die anderen machen, interessiert mich nicht. Du bist meine Tochter, du machst das nicht!«
    Am Ende kracht eine Tür ins Schloss, leider nicht die
Wohnungstür. Baba hat wieder gewonnen. Wütend stapfe ich in mein Zimmer, drehe dort aufgebracht eine Runde, um mich abzureagieren, dann gleich noch eine, und weil ich danach immer noch stocksauer bin, werfe ich mich aufs Bett und schreie ins Kissen.
    Wie ich diese ewigen Streitereien hasse! Als würde Baba blind durch die Gegend laufen. Immer pocht er auf die alten Sitten und Traditionen. Er muss doch mal einsehen, dass sich die Welt weiterdreht. Warum geht es ihm nicht längst selbst auf die Nerven, mir ständig Vorschriften zu machen? Kaum ein Tag vergeht, ohne dass er meint, mir sagen zu müssen, wie ich mich zu kleiden habe. Oder dass es sich für ein türkisches Mädchen nicht schickt, nach acht Uhr abends noch das Haus zu verlassen. Schon gar nicht, um sich womöglich mit einem Jungen zu treffen. Eine Schande wäre das in seinen Augen. Wenn er wüsste!
    Unsere Religion, der Islam, verlangt: Ich darf nicht mit einem Mann schlafen, bevor ich nicht mit ihm verheiratet bin. Sie schreibt aber auch vor, dass ich einem Mann, der mir gefällt, nicht zuzwinkern darf. Ich darf nicht Händchen halten mit ihm, mich nicht einmal im selben Zimmer aufhalten wie er, außer die Tür steht offen. Ich glaube an Gott, an Engel und auch an Mohammed, den letzten Propheten Allahs. Zwar bete ich nicht fünfmal am Tag zu ihm, aber immer dann, wenn mir danach zumute ist. Sehr häufig kommt das allerdings zurzeit nicht vor. Aber ich muss nicht beten, um zu glauben. Ich muss auch nicht ständig in eine Moschee rennen. Nach dem Tod von Babaanne, der Mutter meines Vaters, war ich das letzte Mal in einer. Das ist über ein Jahr her. Mein Glauben hat deswegen nicht gelitten. Aber ich erlaube mir, daneben ein paar eigene Regeln
aufzustellen, nur für mich. Wenn der Islam also verlangt: Kein Sex vor der Ehe!, dann sage ich mir: Gut, dann aber auch keine Hausaufgaben vor dem Abitur!
    Damit das nicht falsch rüberkommt: Ich bin keine Bitch und alles andere als leichtfertig in dieser Hinsicht. Obwohl, Baba würde das bestimmt anders bewerten, würde er ahnen, mit wie vielen Jungs ich mich schon verabredet habe. Drei von ihnen habe ich sogar geküsst. Und das, obwohl ich nur in einen verliebt war. Aber dafür gibt es eine Erklärung:

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