So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock
bewegt.
Das ist bei mir nicht anders. Aber doch anders als bei
meinen Eltern, die inzwischen auch nur noch einen deutschen Pass besitzen. Im Gegensatz zu mir ist für sie alles irgendwie klar. Sie wissen, wer sie sind und wo sie hingehören, womit ich weniger den Wohnort meine als ihre Einstellung zu den wichtigen Fragen des Lebens, zur Religion und zum Kopftuchtragen, zu Anstand und Moral und all dem.
Genau an diesem Punkt fängt das Problem an. Ich würde ja gern sagen, dass es das Problem meiner Eltern ist. Nur wird es dadurch dummerweise auch zu meinem eigenen. Und das macht das Leben für mich ganz schön anstrengend. Es ist wie ein ewiger Hürdenlauf. Wann ich mit dem Laufen anfing, weiß ich gar nicht mehr. Und wann ich damit endlich aufhören kann? Keine Ahnung. Obwohl ich ständig in Bewegung bin, habe ich nicht das Gefühl, dem Ziel ein Stück näher zu kommen. Wahrscheinlich gibt es gar kein Ziel. Dafür immer neue Hürden, die mir meistens auch noch ausgerechnet von den Menschen in den Weg gelegt werden, die mir am nächsten stehen.
Womit ich wieder bei meinen Eltern wäre.
Und das alles, weil ich nicht ins Schema passe und mich auch wehre, in irgendein Schema gepresst zu werden.
Vielleicht übertreibe ich ein bisschen, aber ich glaube, die meisten Leute stellen sich eine Türkin nur als Abziehbild irgendeiner Türkin vor, die ihnen mal auf der Straße oder im Bus begegnet ist: Die trägt natürlich ein Kopftuch, und das aus tiefster religiöser Überzeugung. Ihr gebrochenes Deutsch reicht gerade für »Guten Tag« und »Auf Wiedersehen« und beim Einkaufen höchstens noch für »Zucker« und »Mehl«. Die Hauptschule hat sie bestenfalls mit Ach und Krach hinter sich gebracht. Bildung bedeutet ihr ohnehin nicht viel, da ihre Eltern sie bereits
als Fünfzehnjährige dem Sohn einer befreundeten Familie versprochen haben und sie sich später sowieso ausschließlich um Haushalt und Kinder zu kümmern hat.
Solche Frauen kenne ich auch. Ich kenne sie sogar aus der eigenen Familie. Nur: Ich bin nicht so! Und darüber bin ich sogar dermaßen froh, dass ich drei dicke Ausrufezeichen setze. Ich kann mit keinem dieser Klischees dienen. Na und! Ich denke auch nicht im Traum daran, mich zu ändern. Mein Deutsch ist - ich sagte es bereits - ziemlich gut, ohne dass ich damit angeben wollte. Ich besuche ein Gymnasium, gehöre dort nicht zu den Schlechtesten, war sogar Jahrgangssprecherin und in der Schülervertretung, und das ganz freiwillig, weil ich finde, dass es nichts bringt, nur rumzumeckern. Man muss schon was tun, wenn man etwas ändern will. Und falls nichts schiefgeht, werde ich in diesem Jahr das Abitur schaffen. Danach will ich studieren oder erst mal eine Zeit lang ins Ausland gehen, nach England vielleicht oder nach Frankreich, mein Französisch könnte es vertragen. Aber dann will ich auf jeden Fall studieren. Im Augenblick favorisiere ich Jura. Staatswissenschaften könnte ich mir aber auch vorstellen. Mal sehen.
Das ist die eine Seite. Trotzdem - und das ist die andere - lasse ich im Moment kaum eine Party aus, zu der ich eingeladen werde. Und da laufe ich garantiert nicht mit Kopftuch und knöchellangen Kleidern auf. Was viele, die mich nicht kennen, erst einmal wundert, wenn sie hören, dass ich Türkin bin. Ich liebe Miniröcke, kurze Kleider und neuerdings auch diese sexy Shorts, die ziemlich angesagt sind. Deutsche Mädchen und Frauen machen sich darüber bestimmt keine Gedanken. Sie ziehen einfach an, was sie cool finden. Nichts anderes tue ich auch. Nur dass bei
mir dann gleich die Alarmglocken läuten. Wegen meiner Eltern. Für sie verstoße ich mit den kurzen Fummeln nämlich gegen Traditionen und Werte. Nein, kleiner haben sie es nicht. So sind sie eben. Mit einem Minirock verletze ich nichts Geringeres als ihre Ehre, und die ist ihnen heilig. Deshalb sehe ich zu, dass ich ihnen das nicht allzu häufig antue. Was an meinem Look allerdings prinzipiell nichts ändert, natürlich nicht, wäre ja noch schöner. Ist alles nur eine Frage der Taktik. Um ihnen und mir leidige Diskussionen zu ersparen, verlasse ich die Wohnung, wenn ich zu einer dieser Partys aufbreche, einfach so züchtig gekleidet, wie sie sich das von einer anständigen Tochter wünschen. Meine Partyklamotten verstecke ich so lange in einer Tasche. Die ziehe ich dann später an - eine kleine Verwandlung, als würde ich mir ein zweites Ich überstreifen - und vor dem Nachhauseweg eben wieder aus.
Das hätte ich jetzt wohl
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