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So wie Kupfer und Gold

So wie Kupfer und Gold

Titel: So wie Kupfer und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Nickerson
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nicht Onkel genannt werden. Verflixt, ich will kein Onkel sein!« Seine Augen blitzten vor gespielter Entrüstung.
    Es fing an, mir genauso viel Spaß zu machen, meinen Patenonkel zu necken und von ihm geneckt zu werden, wie das bei meinem Bruder Harry der Fall war. »Dann vielleicht Monsieur Bernard«, schlug ich vor.
    Â» Mais oui , eine ausgezeichnete Lösung. Für den Moment.«
    Das Abendessen dauerte fast bis elf Uhr.
    Â»Oh, mon chaton «, rief er endlich. »Mein armes schläfriges Häschen kann kaum noch die Augen offen halten. Komm und gib mir einen Gutenachtkuss. Dann bringt Charles dich zurück in dein Zimmer.«
    Ich beugte mich etwas steif zu ihm hinüber, da er praktisch immer noch ein Fremder für mich war, und küsste ihn tapfer auf die Wange. Ich fand es nicht schlimm, ganz im Gegenteil. Schließlich war es eine ausgesprochen attraktive Wange.
    Charles begleitete mich zu meinem Zimmer, wo ein gähnendes Hausmädchen wartete. Das Mädchen half mir beim Entkleiden und beim Überstreifen eines ziemlich freizügigen, aber wunderschönen seidenen Nachthemds. Sie sagte nur, dass ihr Name Talitha sei. Ansonsten flocht sie wortlos mein Haar. Auf ihre exotische Art war sie ein hübsches Mädchen, groß und gertenschlank. Ihre dunkle Haut schimmerte golden. Sie trug ein schlichtes schwarzes Kleid mit einer schneeweißen Schürze und ein im Nacken gebundenes kleines Kopftuch.
    Â»Es ist schon spät, Sie sind sicher müde«, sagte ich. »Müssen Sie sehr hart arbeiten?«
    Dass jemand ihr eine solche Frage stellte, schien ihr Angst zu machen. Sie antwortete nicht gleich; es war, als wäge sie ihre Worte sorgfältig ab. »’s ist nicht zu schlimm«, meinte sie schließlich. »Besser als auf den Baumwollfeldern Unkraut zupfen.«
    Â»Oh ja, wenn das die Alternative ist. Aber es tut mir leid, dass Sie meinetwegen so lange aufbleiben mussten.«
    Auf dem Weg hierher hatte ich die Feldarbeiter beobachtet. Die hitzeflirrende Landschaft war gesprenkelt mit Mädchen und Frauen, die sich verblichene Tücher und Lumpen um den Kopf gewickelt hatten, und mit Männern und Jungen in groben Baumwollhemden und Schlapphüten. Sie hatten den Boden aufgelockert, Unkraut gezupft und Ungeziefer gesammelt. Sie taten mir leid, weil sie in dieser Hitze so hart arbeiten mussten. Sie taten mir leid, weil sie so fürchterlich angezogen waren.
    Diese Talitha musste ungefähr in meinem Alter sein. Ob wir wohl gelegentlich miteinander plaudern konnten? Wenigstens ein bisschen? Ich versuchte es erneut: »Wenn man das Haar mit dem Tuch hochgebunden hat wie Sie, schwitzt man bestimmt nicht so wie bei meiner Frisur. Mir ist im Nacken so heiß.«
    Sie würdigte diesen Versuch keines Kommentars, sondern hob lediglich leicht ihre wunderschön geschwungenen Augenbrauen als Zeichen, dass sie mich verstanden hatte, und schlug die Decken auf meinem Bett zurück. Nachdem ich mich hingelegt und sie mich zugedeckt hatte, zog sie das Moskitonetz zu den Bettpfosten herunter.
    Von draußen kam plötzlich ein lautes Dröhnen. Mit einem Ruck setzte ich mich auf. »Was ist das für ein Geräusch?«
    Talitha kräuselte amüsiert die Lippen. »Zikaden. So ’ne Art Käfer, die in den Bäumen hocken.«
    Â»Sie machen einen ja verrückt.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Man gewöhnt sich dran.«
    Â»Gute Nacht«, sagte ich, doch sie rauschte bereits hoheitsvoll aus dem Zimmer.
    Sofort stand ich wieder auf und verhedderte mich dabei prompt im Moskitonetz. Ich drehte den Schlüssel im Schloss um. Noch brauchte ich die Sicherheit eines Schlosses zwischen mir und diesem riesigen Labyrinth aus Zimmern.
    Ich stieß einen erleichterten Seufzer aus, als hätte ich allein dadurch, dass ich jetzt hier stand und bereit war, ins Bett zu gehen, eine echte Großtat vollbracht. Ich hatte den Schoß meiner Familie verlassen, war mit Eisenbahn und Kutsche gereist, hatte viel Neues gesehen, neue Speisen gekostet und ein paar neue Leute kennengelernt. Für ein Mädchen, wie ich eines war, das abgeschottet von der Außenwelt gelebt hatte, war dies eine echte Leistung.
    Während ich vor meinem Bett kniete und betete, drehte ich gedankenverloren an meinem Fingerring. Er fiel klimpernd auf den Marmorboden und kullerte unter das Bett. Als ich mit der Lampe darunter leuchtete, sah ich ihn weit hinten liegen. Ich

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