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So wie Kupfer und Gold

So wie Kupfer und Gold

Titel: So wie Kupfer und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Nickerson
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auf seine Chance wartete, das gerodete Land wieder in Besitz nehmen zu können.
    Der Himmel war vom Morgenrot immer noch goldrosa eingefärbt. Eine Spottdrossel landete auf dem Geländer neben mir und sang und ich atmete tief die bereits warme, mit dem Duft von Rosen und Piniennadeln geschwängerte Luft ein. Hier war es wunderschön und ich war glücklich, glücklich, glücklich.
    Ich ging ins Zimmer, ließ die Tür aber offen, sodass Sonne und süße Luft hereinströmen konnten. Ich hätte länger schlafen sollen, denn das taten die Damen der feinen Gesellschaft in den Romanen und Fortsetzungsgeschichten, die ich gelesen hatte. Doch ich war zu aufgeregt, um noch einmal einschlafen zu können.
    Mein Reisekoffer wartete neben dem Kamin. Ich schloss die Tür auf, falls das Dienstmädchen kam, und begann auszupacken. Ich verteilte meine Sachen im ganzen Zimmer. Meine Bücher kamen auf den Schreibtisch. Ich strich über einen reich verzierten, blauledernen Buchdeckel mit dem Titel in Silberprägung: Grimms Märchen . Wyndriven Abbey hätte das Schloss aus vielen dieser Märchen sein können. Die Miniatur meiner Mutter gehörte auf den Nachttisch und mein Handarbeitskorb neben einen Stuhl. Meine Sachen waren vielleicht nicht so exquisit und passten nicht zu dem Unterwasserthema, doch erst mit ihnen schien der wunderschöne Raum wirklich mir zu gehören. Ich brauchte etwas Vertrautes um mich herum.
    Die große Schmuckkassette, ein Geschenk meines Patenonkels von vor langer Zeit, stand jetzt auf einer Kommode. Sie war im chinesischen Stil mit schwarzem und goldenem Lack überzogen und hatte Schubladen hinter abschließbaren Türen. Darin glitzerten die Schmuckstücke, die er mir im Lauf der Jahre geschickt hatte, ein paar Schätze aus Kindertagen, die Anschreiben meines Patenonkels und die einzigen Liebesbriefe, die ich je bekommen hatte. Ich öffnete die unterste Schublade, um mich zu vergewissern, dass ich Felix’ Briefe auch tatsächlich mitgebracht hatte.
    Felix, der junge Anwaltsgehilfe meines Vaters, hatte ein Auge auf mich geworfen, als ich fünfzehn war. Verschiedenes deutete darauf hin. Ich machte mir nichts aus ihm, wies ihn aber nicht ab, da ich es schön fand, einen Bewunderer zu haben, und er der einzige Junge war, den ich kannte. Irgendwann hatte Anne Mitleid mit ihm und hieß mich einen Brief schreiben, in dem ich dem »armen Mondkalb« mitteilte, dass ich zu jung für so etwas sei. Doch ich las seine Briefe immer mal wieder, und obwohl Felix nur wenige Jahre älter war als ich und in Sachen Romantik genauso unerfahren, hielt ich sie in Ehren. Er ließ sich lang und breit und auf unbeholfene, aber gefühlvolle Weise über meine mitternachtsblauen Augen und meine Haut ›wie Pfirsiche und Sahne‹ aus. Da musste sich ein Mädchen einfach geschmeichelt fühlen. Besonders ein Mädchen, das sich Gedanken um ihr Aussehen machte. Er hatte seine Briefe auf Dokumentenpapier geschrieben, was mich damals amüsiert hatte, da die Zeitschrift Ladies’ Monthly Assistant versicherte, dass »für Liebesbriefe gutes Papier unerlässlich« sei. Was würde die geschätzte Mrs Ophelia Taylor wohl von den Schreiben des armen Felix halten?
    Passend zum Thema »Pfirsiche und Sahne« stellte ich meine beiden Tiegel mit Venustau auf die Frisierkommode. Ich hatte sie schon vor Monaten gekauft in der Hoffnung, dass sie meine hingetupften Sommersprossen verschwinden lassen würden. Doch zu Hause hatte ich nie daran gedacht, die Creme auch aufzutragen. Hier würde ich daran denken. Das war meine Chance, mehr aus mir zu machen. Elegant und anmutig zu werden. Und interessant.
    Â»Wer werde ich hier sein?« Die Frage zerriss die schwüle Luft. Ich legte rasch die Hand auf den Mund, als Talitha, das Dienstmädchen vom Abend zuvor, hereinkam.
    Â»Master sagen, ich soll beim Ankleiden helfen und Sie zum Frühstück nach unten bringen, Miss.«
    Sie brachte Wasser zum Waschen und half mir dann in frische Unterwäsche. Sie schnürte mein Korsett und streifte mir ein Kamisol mit broderie anglaise über. Ein Leibchen mit so hübscher Lochstickerei hatte ich noch nie besessen.
    Ich versuchte wieder eine Unterhaltung mit ihr zu beginnen. »Haben Sie Familie, Talitha?«
    Â»Eine Schwester«, antwortete sie kurz angebunden. »Aber nich hier.«
    Als Nächstes kamen Strümpfe und

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