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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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lässt uns nicht nach Hause gehen, meine Mutter. Wir schlafen bei meinen Großeltern.«
    »Na prima, umso besser.« Leo klang, als hätte er gerade im Lotto gewonnen. »Dann sind wir ja praktisch Nachbarn. Schleich dich heute Abend einfach raus, wenn alle im Bett sind. Wir könnten uns am alten Viehstall treffen, wo deine Mutter die Mumie gefunden hat. Da kann man sich in Ruhe einen hinter die Binde gießen, und ich hab auch einen spitzenmäßigen St…«
    »Du verstehst nicht«, entgegnete Lally heftig. »Nach dem, was heute Morgen passiert ist, lassen meine Mutter und meine Großeltern uns nicht mehr aus den Augen.«
    Leo starrte sie an. »Was? Wovon redest du eigentlich? Was ist heute Morgen passiert?«
    »Das weißt du nicht?« Ihre Befriedigung war nicht zu überhören.
»Kit hat eine Leiche gefunden. Am Kanal, kurz vor Barbridge.« Lally warf Kit einen Blick zu, dessen vereinnahmender Stolz ihm ganz und gar nicht schmeichelte. »Es war die Frau, die wir gestern auf ihrem Boot gesehen haben. Jemand hat sie umgebracht.«
    »Ist nicht wahr.« Leo blickte von Lally zu Kit, die Augen ungläubig aufgerissen.
    »Ist wohl wahr«, gab Lally mit selbstzufriedenem Grinsen zurück. »Sie war …«
    »Lally, wir müssen gehen«, mischte sich Kit ein. Er war sich nicht sicher, wie viel Lally tatsächlich von den Gesprächen der Erwachsenen am Morgen mitbekommen hatte, aber er hätte es nicht ausgehalten, wenn sie Leo eine detaillierte Schilderung von Annies Verletzungen geliefert hätte. »Wir sollten schon längst zurück sein«, drängte er und packte sie am Arm, um sie zur Tür zu zerren. Aber dann sah er Leos Gesichtsausdruck, und seine Finger lösten sich, plötzlich kraftlos und schlaff.
    Lally wandte sich ungehalten von den beiden Jungen ab. »Ja, ja, ist ja schon gut. Jetzt mach dir mal nicht ins Hemd.«
    Als sie sich zur Tür des Buchladens umdrehte, rief Leo: »Versprich wenigstens, dass du’s heute Abend versuchen wirst. Ruf mich nur vorher kurz an, damit wir eine Zeit ausmachen können. Du kannst doch bei deinen Großeltern telefonieren, ohne dass jemand mithört – unser kleiner Freund hier soll die anderen so lange ablenken«, redete er auf sie ein. »Du könntest ja auch mitkommen«, fügte er an Kit gewandt hinzu. Die Feindseligkeit, die er ihm noch vor einer Minute entgegengebracht hatte, schien vergessen. »Dann zeigen wir dir mal, wie man richtig einen draufmacht, was, Lal?«
    »Halt’s Maul, Leo.« Sie war wieder wütend, und Kit war genauso ratlos wie zuvor. Aber immerhin war er froh, als sie die Tür des Buchladens aufzog und ihn hineinschob, um sie dann fest hinter sich zu verschließen.

    Das Lager war leer. Kit lehnte sich an die Zwischentür und lauschte mit pochendem Herzen. Doch aus dem Laden drang ein stetiges Gemurmel, und eine der Stimmen gehörte eindeutig Mrs. Armbruster. Sie hatten es geschafft – niemand hatte ihre Abwesenheit bemerkt.
    Die plötzliche Erleichterung machte ihm Mut. Er drehte sich zu Lally um, die sich lässig auf eine Bücherkiste gehockt hatte und ihre Fingernägel inspizierte. Als sie mit einem kleinen herausfordernden Lächeln zu ihm aufblickte und »Siehst du?« sagte, platzte er ohne zu überlegen heraus: »Ist Leo dein Freund?«
    »Nein!«, entgegnete sie heftig, offenbar überrumpelt von seiner Frage.
    »Und wieso tust du dann alles, was er sagt?«
    »Tu ich ja gar nicht!« Sie musste die Skepsis in Kits Blick bemerkt haben, denn sie fuhr fort: »Es ist nicht so, wie du meinst. Das verstehst du nicht. Es ist bloß, weil Leo … er weiß nun mal … alles Mögliche.«
    »Was weiß er?«
    Lally sah Kit an, und für einen kurzen Moment blickte er in die Augen eines verängstigten Kindes. Dann verschloss sich ihre Miene wieder – so, als sei ein Eisengitter zwischen ihnen heruntergerasselt; und während sie sich von ihm abwandte, sagte sie: »Nichts. Gar nichts.«

20
    »Bist du sicher, dass du mich jetzt nicht mehr brauchst?«, fragte Gemma Juliet, als sie vor dem kleinen Laden mit Büro stehen blieben, den Juliet in der Castle Street angemietet hatte, einer versteckten Nebenstraße hinter dem Marktplatz.
    Vom Teehaus waren sie die Pillory Street hinuntergegangen. Als sie am Buchladen vorbeikamen und Gemma Juliets Zögern bemerkte, drängte Gemma sie zum Weitergehen und sagte: »Ich bin sicher, dass es den Kindern gut geht. Es ist vielleicht besser, wenn du eine Weile wartest, ehe du Lally siehst, findest du nicht?«
    »Du hast wohl recht«, meinte Juliet seufzend.

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