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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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rasch das Interesse und begannen halbherzig an dem Schilf zu knabbern, das die Uferbefestigung säumte.
    »Dumme Kuh«, schalt Gemma sich laut. Was hatte sie denn erwartet – etwa eine gepflegte Konversation? Ein Blick hinauf zu der dicken Wolkenbank, die sich immer tiefer auf den Horizont herabsenkte, sagte ihr, dass sie die Gelegenheit beim Schopf packen musste. Wenn sie noch irgendetwas sehen wollte, sollte sie sich beeilen und nicht die knappe Zeit hier mit den Schwänen vertrödeln.
    Mit entschlosseneren Schritten setzte sie ihren Weg fort, und nach ein paar weiteren Kurven gelangte sie zu einem geraden Abschnitt des Kanals, wo die Bäume allmählich von Hecken abgelöst wurden. In der Ferne erblickte Gemma eine schwarze Eisenbrücke, die nichts von der Anmut der alten gewölbten Steinbrücken ausstrahlte, und daneben die knorrige, verdrehte schwarze Silhouette eines Baums, der wie eine groteske Imitation der Metallkonstruktion wirkte.
    Und dahinter sah sie schon die erste fluoreszierende gelbe Polizeijacke aufblitzen. Sie hatte den Tatort erreicht. Nachdem
sie sich ausgewiesen hatte, blieb sie einen Moment an der Absperrung stehen und blickte sich um. Die Beamten suchten immer noch jeden Grashalm und jedes Zweiglein in der Hecke nach verwertbaren Spuren ab. Das Boot mit dem tiefblauen Anstrich lag still und friedlich am Ufer, als hätte es mit der ganzen Aufregung nichts zu tun, doch als Gemma genauer hinsah, konnte sie die feine Schicht Fingerabdruckpulver erkennen, die den Rumpf und das Deck überzog. Von der Leiche war natürlich nichts mehr zu sehen – bis auf einen dunklen Fleck im Gras, der von dort, wo sie stand, nicht als Blut zu identifizieren war.
    »Die Kollegen sind mit dem Boot schon fertig, falls Sie sich mal umschauen möchten«, ließ der Beamte an der Absperrung sie wissen, doch Gemma widerstand der Versuchung. Sie konnte sich denken, dass Babcocks Team das Boot äußerst gründlich durchsucht hatte, und das war auch nicht der Grund, weshalb sie gekommen war.
    »Komme ich hier irgendwie vorbei, ohne den Tatort zu kontaminieren?«, fragte sie. Die Hecke schien so undurchdringlich wie die im Märchen von Dornröschen.
    »Da gibt’s einen Zauntritt ein paar Meter weiter in Richtung Brücke – Sie sind dran vorbeigekommen. Ist ein bisschen zugewachsen, aber ich glaube, der führt aufs freie Feld.« Er fragte nicht, was sie vorhatte, und wenngleich sie vermutete, dass er ihr hätte sagen können, was sie wissen wollte, zog sie es wie immer vor, sich selbst ein Bild von der Lage zu machen.
    »Danke«, sagte sie und fügte hinzu: »Wenn ich stecken bleibe, schreie ich einfach ganz laut.« Dafür erntete sie ein freundliches und amüsiertes Grinsen.
    Wenige Augenblicke später hatte sie den Zauntritt bereits gefunden und war froh, dass die Biegung der Hecke sie vor den Blicken des Constables schützte. Zugewachsen war eine schamlose Untertreibung, dachte sie, als sie die Zweige beiseite
schob und den Fuß auf die hohe Stufe setzte. Sie schwang das andere Bein unbeholfen über den Zaun, und als sie rittlings darauf balancierte, blieb sie mit dem Rücken ihrer Jacke in einem Dornengestrüpp hängen. »Verfluchtes Landleben«, schimpfte sie, während sie mit einer Hand hinter sich griff, um ihre Jacke zu befreien, und sich dabei wünschte, sie wäre nur ein kleines bisschen gelenkiger. Als sie schließlich mit der Grazie einer Ballerina in Bleistiefeln auf der anderen Seite hinunterplumpste, spürte sie, wie der Ärger und die Verlegenheit ihr die Röte ins Gesicht trieben. Jetzt konnte sie nur noch hoffen, dass ihr kein wütender Bulle in die Quere kam.
    Doch bald schon musste sie feststellen, dass es eher die unbelebte Natur war, die ihr Probleme bereitete. Das Feld war gepflügt, und während auf den aufgeworfenen Reihen frisches grünes Gras wuchs, waren die Furchen mit einer Grütze aus Schlamm und Schmelzwasser angefüllt. Gemma stapfte unerschrocken los. Mit jedem Schritt wurden ihre Stiefel schwerer, doch endlich lichtete sich die Hecke und wich einem niedrigen Drahtzaun, über den sie zurück auf den Leinpfad gelangte. Ein Stück weiter erblickte sie die inzwischen vertrauten Umrisse einer Steinbrücke, halb verdeckt durch die Biegung des Kanals.
    Als sie um die Kurve bog, sah sie den roten Ziegelbau, der sich am anderen Kanalufer an den Hang schmiegte – Juliets Viehstall. Sie befand sich jetzt auf der anderen Seite der Brücke, die scheinbar nirgendwohin führte.
    Um auf die Brücke selbst

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