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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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»Obwohl ich mir kaum vorstellen kann, dass es mir in ein paar Stunden leichter fallen wird, mit ihr zu reden und so zu tun, als wäre nichts passiert. Mein Gott, sie muss mich ja wirklich für eine Idiotin halten«, fügte sie hinzu, als die Wut sie erneut übermannte.
    »Ich habe auch nicht mehr Erfahrung als du, aber ich fürchte, dass die meisten Vierzehnjährigen ihre Eltern für Idioten halten – und das auch nur, wenn sie gerade gnädig gestimmt sind.« Gemma drückte Juliets Arm und erntete ein kleines Lächeln für ihre Bemerkung.
    Dann hatte Juliet gesagt, wenn sie schon nichts für die Kinder tun könne, müsse sie wenigstens ihre Mitarbeiter informieren und versuchen, die Bonners zu erreichen – die Kunden, die ihr den Auftrag zur Renovierung des Viehstalls erteilt hatten.

    Gemma befürchtete, dass Caspar zuallererst in Juliets Büro nach ihr suchen würde, wenn er wieder in Zorn geriet, weshalb ihr bei dem Gedanken, sie dort allein zurückzulassen, alles andere als wohl war. »Mach dir keine Sorgen«, beruhigte Juliet sie und deutete auf einen verbeulten Lieferwagen, der vor dem Büro auf dem Gehsteig parkte. »Mein Polier ist da, und Caspar wird sich hüten, sich in seiner Gegenwart danebenzubenehmen – Jims Hobby ist nämlich zufällig Kickboxen. Wenn ich im Büro fertig bin, bitte ich Jim, mich zum Buchladen zu begleiten. Und dann können Mutter oder Vater mich nach Hause fahren.«
    Gemma zögerte. Sie wollte ihre Grenzen nicht überschreiten, aber wenn sie daran dachte, was sie Juliet heute schon alles hatte beibringen müssen, fand sie, dass sie nicht auf halbem Weg stehen bleiben konnte. »Juliet, du weißt, dass Duncan und ich dir jederzeit den Rücken stärken können, wenn du dich entschließen solltest, mit Caspar zu reden. Du musst das nicht allein durchstehen.«
    Juliet hatte den Türgriff schon in der Hand; jetzt drehte sie sich noch einmal um. »Ich … ich bin mir nicht sicher, ob ich schon so weit bin. Aber danke jedenfalls.«
    Gemma blieb stehen, bis Juliet im Laden verschwunden war. Ihr Unbehagen hatte sich noch nicht gelegt. Aber sie konnte sich schlecht als Leibwächterin aufspielen, wenn Juliet das gar nicht wollte, und im Übrigen war Caspar Juliet gegenüber nie wirklich handgreiflich geworden oder hatte ihr auch nur damit gedroht. Vielleicht war es nur der Schatten des Mordes an Annie Lebow, der über allem lag und sie so unruhig machte.
    Und dazu kam die Tatsache, dass sie sich wieder einmal vorkam wie das fünfte Rad am Wagen. Juliet musste sich um ihr Geschäft kümmern, die Kinder waren bei Rosemary und Hugh, und Duncan trieb sich immer noch mit Ronnie Babcock
herum und genoss es vermutlich, eine alte Männerfreundschaft wiederzubeleben.
    Während sie langsam zum Parkplatz am Ende der Castle Street schlenderte, fiel ihr auf, dass die Ladengeschäfte, die die Straße im Bereich des Stadtzentrums prägten, bald gepflegten georgianischen Wohnhäusern wichen. An manchen prangten Schilder von Anwaltskanzleien und Versicherungsbüros, doch die kommerzielle Nutzung konnte der Atmosphäre heiterer Ruhe, welche die von Alleebäumen gesäumte Straße prägte, nichts anhaben.
    Die Gegend erinnerte Gemma an Islington, wo sie in der Garagenwohnung ihrer Freundin Hazel gewohnt hatte, und mit einem Anflug von Nostalgie dachte sie an ihre Zeit dort zurück; an ein Leben, das zumindest im Rückblick einfacher gewesen war als das jetzige. Aber das war eine Täuschung, wie ihr sehr wohl bewusst war – ihr Leben war damals vielleicht weniger kompliziert gewesen, aber gewiss auch ärmer.
    Auf jeden Fall mochte sie das Leben, das sie jetzt führte, nicht mehr missen – ja, sie konnte sich kaum noch etwas anderes vorstellen als den hektischen und chaotischen Alltag mit Duncan und den Jungen in ihrem Haus in Notting Hill. Und wenn sie sich manchmal insgeheim wünschte, Duncan hätte sich nicht verpflichtet gefühlt, mit ihr und Toby zusammenzuziehen, versuchte sie den Gedanken gleich wieder zu verdrängen. Sie konnte das Geschehene nicht ungeschehen machen, genauso wenig, wie sie das Kind zurückholen konnte, das sie verloren hatte.
    Etwas Kaltes streifte leicht ihre Wange, wie eine gefrorene Träne. Als sie aufblickte, sah sie eine einzelne Schneeflocke herabwirbeln, doch der Himmel sah weniger bedrohlich aus als vorhin, als sie und Juliet auf dem Weg vom Parkplatz zum Café von einem Eisregenschauer überrascht worden waren.
    Juliet hatte ihr einen illustrierten Stadtplan in die Hand

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