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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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als ihr federnder Schritt ihn hatte vermuten lassen. Ihre Augen blitzten intelligent, und sein Mut sank.
    Er nickte, ohne den Halteriemen loszulassen, als sei er ungehalten über die Störung. »Jawohl. Und was geht Sie das an, Miss?«
    »Detective Constable Larkin, Cheshire Police.« Sie hielt ihren Ausweis hoch, obwohl sie wissen musste, dass er ihn auf die Entfernung nicht lesen konnte. »Könnte ich Sie kurz sprechen?«
    »Wüsste nicht, was Sie daran hindern könnte«, erwiderte er und begann die Riemen aufzurollen.
    Sie verlagerte ihr Gewicht ganz leicht auf die Fußballen und straffte die Schultern. »Sie haben sicher gehört, dass gestern Abend hier ganz in der Nähe eine Frau ums Leben gekommen ist, gleich unterhalb von Barbridge.« Sie deutete mit dem Kopf zur Brücke. »Ihr Name war Annie Lebow.«
    »So?«, erwiderte er, während er sich aufrichtete und sich die Hände an der Hose abwischte. Jetzt war sie ihm gegenüber im
Nachteil – sie musste den Kopf in den Nacken legen, um zu ihm aufzublicken.
    »Haben Sie sie gekannt?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Auf dem Cut trifft man alle möglichen Leute.«
    Larkin zog ein Foto aus der Jackentasche und hielt es ihm hin. Gabriel blieb nichts anders übrig, als sich über das Dollbord zu beugen und es zu nehmen. Er studierte das Bild einen Moment lang mit zusammengekniffenen Augen und gab es der Frau zurück. »Die Horizon . Sie hätten mir den Namen des Boots sagen sollen. Die sind es, an die ich mich erinnere, viel mehr als Namen oder Gesichter.«
    »Das heißt, Sie haben Ms. Lebow gekannt?«, fragte die Kriminalbeamtin.
    »Flüchtig.« Er spürte, wie er unter dem dicken Wollpullover schwitzte, als wäre die Sonne plötzlich herausgekommen, und er hoffte, sie würde den Schweißfilm auf seiner Stirn nicht sehen. Einen Moment lang war er versucht, ihr die ganze Wahrheit zu sagen, einfach nur, um es hinter sich zu bringen, um diesen Druck los zu sein, der ihm das Herz zusammenschnürte, aber er wusste, dass er das nicht machen konnte. Nicht, wenn es um die Sicherheit Rowans und der Kinder ging.
    Larkin deutete auf die Häuser unterhalb von Barbridge. Die Frau in dem rosa Bademantel stand noch immer da und sah zu ihnen herüber. Die alte Schachtel würde sich noch Frostbeulen holen, nur um ihre Neugier zu befriedigen. »Mrs. Millsap sagt, Sie hätten einen Streit mit der Verstorbenen gehabt. An Heiligabend.«
    Gabriel überlegte blitzschnell. Mrs. Millsap mochte laute Stimmen gehört haben, aber sie konnte unmöglich verstanden haben, was gesagt worden war, nicht auf diese Entfernung. »Dieses blöde Weib hat mein Boot gerammt«, gab er zu und
versuchte dabei möglichst entrüstet zu klingen. »Ist mir einfach rückwärts reingefahren, die dumme Kuh.« Er beugte sich über das Dollbord und deutete auf eine lange Schramme dicht über der Wasserlinie der Daphne. Den Schaden hatte er selbst verursacht, als er vor einer Woche an der Schleuse von Huddleston gegen die Mauer gefahren war, und er hatte einfach nicht die Energie aufgebracht, ihn zu reparieren.
    »Ich weiß, über Tote soll man nicht schlecht reden«, fügte er hinzu, »aber ich war einfach stinksauer.«
    »Haben Sie ihr gedroht?«
    »Gedroht? Ich hab ihr gesagt, sie soll gefälligst aufpassen, wohin sie fährt. Wenn Sie das eine Drohung nennen …«
    Die Polizistin begutachtete die Schramme und schüttelte den Kopf, als ob sie ihn bedauerte. »Und was ist dann passiert?«
    »Sie hat gesagt, es täte ihr leid, sie sei einen Moment abgelenkt gewesen. Und sie hat mir angeboten, für die Reparatur aufzukommen, das muss ich ihr immerhin lassen. Aber ich hab gesagt, das ist nicht nötig, ich würde das schon selbst in Ordnung bringen.« Er blickte zu der bleifarbenen Wolkendecke auf. »Da muss ich allerdings warten, bis es ein bisschen trockener ist.«
    »Sie haben also Ihre Animositäten beigelegt?«, fragte sie. »Sie sind im Frieden auseinandergegangen, meine ich«, fügte sie hinzu.
    Er sollte es ja inzwischen gewohnt sein – die Leute nahmen immer an, dass alle Schiffer grundsätzlich dumm waren oder zumindest Analphabeten. Es mochte ja sein, dass in der Vergangenheit die meisten von ihnen weder lesen noch schreiben konnten, aber dumm waren sie nie gewesen, und Gabriels Eltern hatten wenigstens dafür gesorgt, dass er ordentlich lesen gelernt hatte. Sie hatten gewusst, dass die Zeiten sich änderten, dass Fleiß und Erfahrung auch für einen Kanalschiffer irgendwann nicht mehr ausreichen würden.

    Er

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