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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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hatte, das alles war unverzeihlich. Es gab kein Zurück.
    Doch wie würde sie zurechtkommen, wenn sie ihn verließ?
Was konnte sie tun? Sie hatte praktisch keinerlei Einkünfte – es gelang ihr ja kaum, ihren neu gegründeten Betrieb aus den roten Zahlen herauszuhalten, obwohl sie sich selbst nur einen Hungerlohn zugestand. Natürlich könnte sie den vernünftigen Weg wählen. Sie könnte das Geschäft aufgeben und sich einen normalen, anständigen Bürojob suchen, der ihr ein regelmäßiges Gehalt garantierte.
    Aber sie liebte nun einmal ihre Arbeit auf dem Bau, liebte sie mit einer Leidenschaft, die sie selbst überraschte – selbst die Tage, an denen sie von früh bis spät in brütender Hitze oder im eisigen Regen schuftete, an denen sie abends so erschöpft nach Hause kam, dass sie über dem Abendessen einschlief. Sie hatte ein Gespür für das, was man aus einem Haus oder einer Wohnung machen konnte, und ein Talent, aus Ziegeln und Steinen etwas Lebendiges zu schaffen.
    Nein, sie würde es nicht aufgeben; sie würde nicht zulassen, dass Caspar ihr auch das noch wegnahm – nicht, wenn sie es irgendwie verhindern könnte. Und was dann? Sollte sie ihre Eltern um Hilfe bitten? Es war schlimm genug, zugeben zu müssen, dass ihre Ehe gescheitert war; da musste sie die beiden nicht auch noch um Geld anbetteln.
    Sicher, sie würde nicht ganz mittellos dastehen. Caspar würde ihr Unterhalt zahlen müssen. Aber sie kannte ihn; sie wusste, dass er seine Beziehungen spielen lassen würde, um den besten Anwalt zu finden. Er würde seine finanzielle Situation so geschickt hindrehen, dass sein Vermögen möglichst gering erschien. Und Piers würde ihm dabei helfen, ohne Rücksicht auf die Folgen für die Kinder.
    Und die Kinder – lieber Gott, wie sollte sie ihren Kindern beibringen, dass sie vorhatte, ihren Vater zu verlassen? Lally würde ihr niemals verzeihen. Und Sam – was würde es mit Sam anrichten, der hinter der Fassade seines unaufhörlichen Geplappers doch so verletzlich war?

    Aber ihr war auch klar, dass sie sich etwas vorgemacht hatte, wenn sie geglaubt hatte, die Kinder wüssten nicht, was los war. Hätte sie nicht schon längst merken müssen, wie Caspar die beiden gegen sie aufbrachte, jeden Tag aufs Neue, mit tausend kleinen, hinterhältigen Tricks? Und er war noch zu weit Schlimmerem fähig.
    Sie musste nachdenken. Sie musste sich eine Strategie zurechtlegen, die sie selbst und die Kinder schützte. Innerlich gewappnet schloss sie die Tür auf, schaltete das Licht aus und legte sich ins Bett. Ihr ganzer Körper war angespannt wie eine Sprungfeder. Aber die Schritte auf der Treppe und das Klicken des Türknaufs blieben aus.
    Langsam holten die aufreibenden Ereignisse des Tages sie ein. Unter der Decke war es schön warm, und gegen ihren Willen wurden ihre Lider schwer und schwerer. Bald driftete sie in einen unruhigen Halbschlaf, und als der Traum begann, wusste sie, dass es nur ein Traum war.
    Sie hielt ein Baby in den Armen … Sam … nein, Lally … Sie erkannte die rosa Decke mit den hüpfenden weißen Schafen. Das Kind regte sich in ihren Armen … Sie spürte seine Wärme an ihrer Brust … Und dann, als sie nach unten sah, löste das winzige rosa Gesicht sich vor ihren Augen auf, die Knochen blitzten unter der Haut auf, die Augen versanken in ihren tiefen Höhlen wie in einem gähnenden Abgrund …
    Mit einem unterdrückten Schrei schreckte Juliet aus dem Schlaf hoch und setzte sich auf, keuchend und nach Luft ringend. Es war ein Traum, nur ein Traum, ausgelöst durch das arme Kind, das sie gefunden hatte. Sam und Lally waren in Sicherheit. »Nur ein Traum«, flüsterte sie, während sie sich wieder unter der Decke verkroch. »Nur ein Traum.«
    Aber als ihr Herzschlag sich wieder beruhigte, begannen ihre Sinne die typischen Geräusche des Hauses zu registrieren, die das Morgengrauen ankündigten. Sie hatte länger geschlafen,
als sie gedacht hatte, und die Nacht war fast vorüber. Caspar war überhaupt nicht ins Bett gekommen.
    Eine Woge hilfloser Wut überkam sie, so heftig, dass ihr fast übel wurde. Zitternd und schweißgebadet lag sie da. Er hatte von Anfang an nicht vorgehabt, heraufzukommen – nach allem, was er ihr an den Kopf geworfen hatte, ging er ihr nun einfach aus dem Weg. Das war seine Art, sie zu bestrafen und dabei die Oberhand zu behalten.
    Jetzt würde sie am Morgen aufstehen und nach unten gehen müssen, um mit den Kindern Weihnachten zu feiern, als wäre nichts geschehen,

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