So zärtlich war das Ruhrgebiet
kleinen
Garnisionsort an der norddeutschen Küste verschlägt. Nach anfänglichem
Widerstand lässt sie sich schließlich von dem angeberischen Motorradfahrer, DJ
und Bundeswehrsoldaten Boris bezirzen und bekommt ein Kind von ihm. Sein
Angebot, sie zu heiraten, obwohl er sie nicht liebt, schlägt sie jedoch aus und
beschließt, das Kind alleine großzuziehen. Gute Entscheidung, denn dieser
Boris, dargestellt von Hinnerk Jensen, war wirklich ein kompletter Idiot.
Onkel Arnold, der Jugendfreund meines Vaters, hatte seine
Elektrikerfirma in den vergangenen Jahren weiter vergrößert. Unter seiner Regie
war gegenüber dem evangelischen Gemeindehaus in der Widumer Straße ein altes
Mietshaus abgerissen worden, und zwei neue waren an seiner Stelle entstanden,
denen in einem Anbau mit Hof sein Unternehmen vorgelagert war. In den
Sommerferien hatte ich unter Anleitung eines Gesellen seiner Firma in diesen
Neubau Steckdosen eingebaut und in den Badezimmern der einzelnen Wohnungen
Warmwasserboiler installiert. Auch die schweren Steine für die
Nachtspeicherheizungen hatte ich in die Wohnungen geschleppt. Mein erster
Ferienjob. Für drei Wochen bekam ich vierhundert Mark, eine unglaubliche Summe.
Nun zogen wir selbst in eines der Häuser, in
eine Drei-Zimmer-Wohnung im ersten Stock. Alles war brandneu und supermodern.
Der Widumer Platz mit seinem
alten Dorfkern und der evangelischen Kirche war keine einhundert Meter
entfernt; endlich war auch der Weg zur Straßenbahnhaltestelle nicht mehr so
weit. Dafür musste ich mich an das regelmäßige Läuten der Kirchenglocken
gewöhnen.
Die Rückseite des Hauses, auf der
sich die Eingänge und unser Kinderzimmerfenster befanden, grenzte unmittelbar
an den Garten der Kureks, die zu siebt in einem alten Fachwerk wohnten: Herr
und Frau Kurek, die Großmutter, Frau Kureks geistig leicht behinderte Schwester
sowie die Kinder Rüdiger, Burkhard und Jörg. Es gab auch noch eine Tochter,
Ulrike, die jedoch bereits verheiratet war und mit ihrem Mann in Dortmund-Eving
wohnte.
Ich freundete mich schnell mit Rüdiger, dem ältesten der
Kurek-Söhne, an und begleitete ihn bald täglich, wenn er mit Barry, seinem
Hund, spazieren ging. Schwieriger war es, sich an Herrn Kurek zu gewöhnen. Als
ich das erste Mal anschellte, öffnete er mir die Tür und schaute mich an, als
ob ich ein Alien wäre.
„Hier steht irgendso’n Penner!“,
rief er nach hinten in die Küche. „Ich hoffe, der will nicht zu einem von
euch!“
Plötzlich stand ich ganz allein mit Gabriele Batt im
Maisfeld. Wo waren die anderen geblieben, Ralle, Micha, Anja und Jörg? Hatten
sie sich mit einem Mal in Luft aufgelöst?
Gabriele war blond, hatte eine
Disco-Frisur, Sommersprossen, einen viel zu großen Busen und war überhaupt
nicht mein Typ. Es ging das Gerücht, sie hätte schon vielen zu ihren ersten
Erfahrungen verholfen, und an diesem lauen Sommerabend kam nun ich in den
Genuss.
Sie sagte mir, ich sei ich anders
als die anderen, das fänd’ sie interessant. Kurz lächelnd trat sie an mich
heran und streckte ihren Kopf dem meinen entgegen. Unsere Lippen trafen sich. Mein
erster Kuss! Mit Zunge und Speichel! Kein Zweifel: Das Leben war gut.
Nach den Sommerferien war ich in die zehnte Klasse
gekommen. Rüdiger ging nun ebenfalls in die Zehnte, allerdings auf das
Helmholtz-Gymnasium, und hatte Latein. Bald schon lernte ich auch seine Freunde
kennen: Friedhelm, Klaus und Christian. Auch sie gingen aufs Gymnasium. Zu
viert liefen wir durch Brechten, harmlos und höflich und pausenlos von unseren
Hormonen gequält. Was uns einte, war unsere gemeinsame Vorliebe für eine
philosophische französische Zeichentrickserie, die im Dritten ausgestrahlt
wurde: die Shadoks.
Weil ihr eigener Planet
allmählich auseinanderfiel, befanden sich die Shadoks, hässliche, vogelähnliche
Kreaturen, auf der Suche nach einer neuen Heimat und landeten auf der Erde. Ihre
Sprache bestand aus lediglich vier Silben, die jedoch kombiniert werden konnten:
Ga, Bu, Zo und Meu.
An der Spitze der
Shadok-Gesellschaft stand ihr König Shadoko I., außerdem tauchten noch ein
Magier, ein Admiral mit Augenklappe und ein Professor auf: Professor Shadoko.
Allen normalen Shadoks gemeinsam war, dass sie unermüdlich Fahrradpedalen
traten, was die Off-Stimme mit „… und sie pumpten und pumpten und pumpten …“
kommentierte. Genial aber fanden wir diese Serie wegen der absonderlichen Weisheiten,
die sie uns zuteil werden
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