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poetische Ader abkaufst.«
»Tz«, antwortete ich beleidigt. »Natürlich hat er den Text selbst geschrieben. Er ist Sänger und Komponist.«
»Und wenn schon, selbst wenn er dieses Lied wirklich selbst geschrieben hätte: Wer weiß, wie vielen Frauen er es noch geschickt hat. Es ist ja nicht so, als wäre dein Name ein wesentlicher Bestandteil des Textes, oder?«
Thomas war unfair. Im Gegensatz zu all meinen vorherigen Männern schien Jamie endlich einer zu sein, der auf mich eingehen konnte – und es auch wollte. Wieso gönnte Thomas mir das nicht?
»Wo liegt dein Problem, Thomas? Ja, mein Name kommt nicht im Lied vor, aber das muss er auch gar nicht. Dieser Song passt total zu mir und zu dem, worüber Jamie und ich uns immer wieder unterhalten haben. Das ist ein Geschenk, das wirklich von Herzen kommt.«
»Du steigerst dich ziemlich in deine Pseudo-Romanze hinein.«
»Das ist keine Pseudo-Romanze«, beharrte ich trotzig und nahm ihm den Songtext aus der Hand.
Andererseits – was war es dann?
»Na, wenn du meinst … Trotzdem gefällt es mir überhaupt nicht. Da schreibt dir irgendein gescheiterter Boygroup-Futzi Nachrichten und plötzlich rückt er sogar mit einem eigens für dich komponierten Song heraus. Die Sache stinkt doch bis zum Himmel. So etwas gibt es in Filmen, aber nicht im wahren Leben, Marie.«
In diesem Moment piepte mein Handy. Insgeheim hoffte ich auf eine Nachricht von Jamie, doch es war wieder einmal nur Matze.
Hallo Marie, hast du dir das mit dem Essen überlegt? Ich würde gerne einen Tisch im La Delizia reservieren. Du magst doch italienisches Essen? Matze
»Meine Güte, dein Kollege lernt wohl nicht besonders viele Frauen kennen, oder?«, stöhnte ich genervt. Das war jetzt schon die vierte SMS innerhalb von vierundzwanzig Stunden – und dass ich nur auf eine einzige sporadisch geantwortet hatte, sollte dem Herrn doch wohl zu denken geben.
»Sprichst du von Matze?«
»Von wem sonst? Oder gibt es noch weitere Freunde von dir, die meine Nummer besitzen und ein erhöhtes Verlangen danach verspüren, mich wiederzusehen?«
»Freu dich doch. Er mag dich eben. Und er ist real!«
»Oh bitte.« Jetzt wurde ich richtig sauer.
Nicht schon wieder diese Leier!
»Weshalb lässt du eigentlich ständig den Besserwisser raushängen? Ausgerechnet du, der von Liebe überhaupt keine Ahnung hat?«
Autsch
, das hatte gesessen. Thomas blickte mich stirnrunzelnd an und in seinen grünen Augen schien so etwas wie Verletztheit durch.
»Gerade weil ich Isabelle geliebt habe, habe ich sie gehen lassen. Ich hatte doch auch keine andere Wahl, als Gregor aus heiterem Himmel aufgetaucht war. Isa war eben glücklich mit ihm.« Sichtlich niedergeschlagen knetete Thomas seine Hände. »Das heißt aber nicht, dass ich nicht ständig an sie denke. Sag mir also nicht, ich hätte keine Ahnung von Liebe, nur weil ich mich nicht in irgendwelche irren Pseudo-Charaktere hineinsteigere.«
»Tut mir leid. Ich meinte das nicht so. Aber Jamie ist …«
»Marie, ich meine es doch nur gut.« Thomas warf mir ein müdes Lächeln zu. »Wir haben so viele Jahre miteinander verbracht und ich kenne dich in- und auswendig. Ich weiß genau, dass so eine Internetbekanntschaft nichts für dich ist. Du brauchst einen realen Mann, der für dich da ist, und nicht irgendeinen Futzi am Ende der Welt, der dir mit seinen erfundenen Märchen das Herz bricht.«
»Jamie wohnt in England, nicht in Australien«, erwiderte ich leise. »Und er erfindet keine Geschichten. Das weiß ich. Außerdem tut er mir gut, verstehst du?«
»Nein, das verstehe ich nicht. Du verschwendest deine Zeit damit, für ihn vor dem Computer zu sitzen, während das Leben an dir vorbeizieht. Neuerdings bist du so beschwingt und das würde mich ehrlich freuen, wenn ich nicht wüsste, dass du deine Gefühle an jemanden verschenkst, der sie nicht verdient hat. Diese Sache ist nicht gut für dich – jedenfalls nicht auf Dauer. Das Internet ist keine Pforte zum ewigen Glück und auch kein Verzeichnis großer Lieben. Es ist ein Zeitvertreib, den Menschen nutzen, die etwas zu verbergenhaben. Ehrliche Männer müssen sich nicht hinter einem Bildschirm verstecken.«
»Du meinst, wie Gregor, der sich auf diesem Schmuddelportal Ablenkung sucht?«
»Ja, vielleicht. Das Internet macht vieles einfacher. Das kann positiv sein … Aber manchmal eben auch negativ. Hör mal Marie, du hast es nicht nötig, dich in der Anonymität zu verstecken. Matze zum Beispiel war hin und weg
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