Socken mit Honig
ersten Augenblick an verwöhnt worden. Selbstredend brauchte
sie eine komplett neue Babyausstattung. Zugegeben, die Strampelanzüge waren
bisher nur blau, grün, bestenfalls gelb oder weiß gewesen. Für die Jungen hatte
man auf rot und ganz besonders auf rosa verzichtet. Der Kinderwagen, in dem nur
Daniel gelegen hatte, wurde aus dem Keller geholt. Ab dem zweiten Kind war ein
Geschwisterkinderwagen nötig gewesen, denn der einjährige Daniel konnte noch
längst nicht laufen, als Julian geboren wurde. Das Gleiche galt für Julian, als
Christian auf die Welt kam. Aber Daniels Kinderwagen, der wie erwähnt nur bei
einem Kind im Einsatz gewesen war, war nicht mehr gut genug für Claudia. Er
wurde zu einem beachtlichen Preis verkauft, andere Eltern befanden ihn durchaus
noch für gut. Claudia bekam einen neuen. Sie war ein Mädchen und konnte sich
unmöglich in ‚Jungensachen‘ sehen lassen. Insgeheim frage ich mich schon heute,
was Claudia fordern wird, wenn sie – spätestens im Pubertätsalter –
feststellt, dass es Markenwaren gibt, dass manche, besonders teure Marken
besonders in sind und man sich unmöglich in anderen Klamotten sehen lassen kann
… „Zukunftsmusik!“, wehrt ihre Mutter Inga immer ab, wenn ich mir erlaube,
kleine Andeutungen in diese Richtung zu machen. „Das regeln wir, wenn es soweit
ist.“ Ich finde, Inga ist zu optimistisch, denn meine Kinder sind schon älter,
ich weiß aus Erfahrung, dass man mit pubertierenden Kindern überhaupt gar
nichts mehr regelt! Aber gut, das sind Probleme von morgen, ich sehe es ein.
Das Problem von heute heißt zwar auch Claudia, beinhaltet aber Reis und Tomaten
und noch nicht irgendwelche Anziehsachen.
Mein Mann und ich sind Claudias Paten, das Kind wird die
zwei Malediven-Wochen ihrer Eltern mit uns verbringen. Wir haben für die Zeit
ein kleines Häuschen in einem nahegelegenen Ferienpark gebucht. Morgen soll es
losgehen. Inga und Johannes bringen ihre Tochter zu uns. Inga erklärt mir, dass
Claudia abends immer eine Geschichte vorgelesen bekommen muss, wenn sie einschlafen
soll. Außerdem braucht sie ihre Kuscheltiere, Emma, den riesigen Bären, Paul,
das blaue Schäfchen und selbstverständlich Klausi, den Hasen mit dem angekauten
Ohr. Mir wird die Versicherungskarte der Krankenkasse übergeben – nur für den
Fall der Fälle. Ein Paket Kindermilchbrei bekomme ich ebenfalls. „Bei Claudia
ist es etwas schwierig mit dem Essen“, weicht Inga meinem leicht vorwurfsvollen
Blick aus. Allzu deutlich scheint mir mein Gedanke, dass dreijährige Mädchen
keinen Babybrei mehr brauchen, ins Gesicht geschrieben zu stehen. „Da muss ich
dir auch noch gestehen, dass sie mittags ausschließlich Reis mit Tomaten isst.“
Okay, ich nehme das zur Kenntnis. „Manchmal ist Kartoffelpüree möglich, aber
das muss absolut glatt sein, Knübbelchen mag sie gar nicht.“ Ich habe sowohl
Reis als auch Tomaten im Haus, Kartoffeln und ein Pürierstab sind ebenfalls
vorhanden, das wird fürs Erste kein Problem werden.
Bevor sich Inga und Johannes endgültig auf den Weg in
Richtung Malediven machen, wollen sie noch die Sache mit dem Hund klären. Meine
Mutter, die nebenan wohnt und sich mit uns neben der Waschküche auch den Garten
teilt, hat einen Hund. Einen großen Hund. Einen richtig großen, aber auch
richtig lieben Hund. Das weiß meine Mutter, das weiß ich, das wissen alle .auch
der Hund! Nur Claudia weiß das noch nicht. Johannes nimmt seine Kleine bei der
Hand und führt sie hinaus in den Garten, wo Ben, Muttis Hund, faul auf dem
Rasen liegt und sich die Sonne auf sein Fell scheinen lässt. „Claudia, das ist
Ben“, stellt Johannes seiner Tochter den Hund vor. Zur Begrüßung hebt Ben den
Kopf und will nach Hundeart riechen, wer da kommt. Claudia weicht ein wenig
zurück. Man merkt ihr deutlich an, dass der Hund ihr nicht geheuer ist. „Der
Hund ist ganz lieb. Mit dem wirst du prima spielen können. Der tut dir nichts“,
beruhigt Johannes. Claudia hält vorsichtshalber Abstand. Ben gähnt ausgiebig.
Seine großen Zähne werden sichtbar. In Claudia kämpfen Angst und Neugier
gegeneinander. Einerseits hat der Hund gefährliche Zähne, andererseits könnte
er ein neuer Freund werden. Unsicher sieht sie ihren Vater an. Dieser
verdeutlicht erneut: „Der beißt dich nicht. Der will nur schnuppern.“ Ben hebt
wieder seinen Kopf. In Claudia siegt die Neugier. Sie fasst sich ein Herz und
redet sich gut zu „Dauda beiß Hund nich, nur nuppern!“ Für alle, die mit
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