Socken mit Honig
pürierten
Tomaten. Für mich noch ein Spiegelei dazu. Claudia isst. Zum Glück trinkt sie
auch reichlich. Das Fiebermedikament wirkt, aber der Husten quält und schwächt
sie weiterhin. Abends gibt es wieder Babybrei. Die Nacht ist unruhig, ich
kümmere mich mit aller Kraft, die mir zur Verfügung steht, lese Geschichten
vor, spiele Kasperletheater mit Paul und Emma, kuschele mit Claudia, die
selbstverständlich wieder bei mir im Bett schlafen darf. Mein Mann braucht
diesmal nicht auf dem Sofa zu schlafen – der ist im Urlaub.
Am dritten Tag merke ich deutlich, dass das Antibiotikum
anschlägt, Claudia langweilt sich allmählich. Ich erlaube ihr, den Fernseher
einzuschalten, leihe von einer Nachbarin CDs mit Geschichten von Bibi
Blocksberg, Pumuckl und Benjamin Blümchen aus und lese Bücher vor. Immer wieder
die gleichen, aber das stört Claudia nicht. Wir essen nach wie vor Reis-Tomate.
Nach vier Tagen steht sie wieder auf, geht in den Garten und sucht Ben. Am
Mittag koche ich ohne zu fragen Schleifchennudeln. Außerdem gibt es Salat und
Bratwürstchen. Claudia blickt mich bitterböse an. Salat geht gar nicht.
Bratwürstchen sind bäh. Ben hat Claudias Wurst schneller gefressen als ich Luft
holen kann. Die Nudeln werden von rechts nach links auf dem Teller
herumgeschoben. Ich weiß schon, Reis-Tomate wäre besser gewesen. Am nächsten
Tag verwöhne ich sie wieder mit ihrem Lieblingsgericht. Claudia strahlt. Sie
fühlt sich weiterhin besser, hustet kaum noch, das Fieber ist völlig verschwunden.
Wir wollen in zwei Tagen zu meinem Mann und den Kindern fahren. Eine Woche
Ferienpark ist besser als gar nichts! Vorher will ich aber die Sache mit dem
Essen noch klären. Ich habe keine Lust, eine weitere Woche Reis-Tomate zu
kochen. Ich versuche, Claudia in Urlaubsstimmung zu bringen, erzähle ihr von
fremden Ländern und köstlichen Speisen, die man im Urlaub kennenlernen kann.
Ich lese ihr von Popeye, dem Matrosen, der ganz viel Spinat isst und ganz doll
stark ist, vor. Mittags gibt es Kartoffelbrei und Spinat mit Rührei. Ohne
Knübbelchen. Aber ach, Claudia ist eigenwillig, als sie den Spinat sieht,
verzieht sie angeekelt das Gesicht. „Dauda will Reis-Tomate“, kräht sie sofort.
Offensichtlich habe ich sie in den vergangenen Tag zu sehr verwöhnt. Aber
ehrlich, wie findet man das rechte Maß bei einem kranken Kind, das noch dazu
nicht das eigene ist? Ich erkläre ihr, dass ich für sie Kartoffelbrei gemacht
hätte, den sie doch auch mag, ganz ohne Knübbelchen, den sie gerne mit dem Ei
und dem Spinat essen könnte. „Dauda will Reis-Tomate“, ruft sie energisch und
schlägt mit ihrem Löffel in den Kartoffelbrei, der überraschenderweise nicht
weit spritzt. Trotzdem habe ich nun genug von Claudias Faxen, nehme ihr den
Löffel aus der Hand und beginne, sie zu füttern. „Einen Löffel für Mama …“ Sie
macht den Mund nicht auf. Mit leichtem Druck gegen ihre Lippen bringe ich die
erste Fuhre Kartoffelbrei unter. Claudia schluckt nicht. „Einen Löffel für Papa
…“ Jetzt habe ich Spinat. Wieder macht sie den Mund nicht auf. Vielmehr hat sie
den Kartoffelbrei noch nicht hinuntergeschluckt. Ich schwenke um zu „einen
Löffel für Popeye …“ habe aber immer noch keinen Erfolg. „Claudia, schluck
runter“, werde ich energischer. Wild entschlossen schüttelt sie den Kopf. Was
ich auch versuche, Claudia bleibt störrisch. Ich meinerseits kann auch einen
Dickkopf haben. Ich zwinge den zweiten Löffel in ihren Mund. Claudia schluckt
nicht. Ich warte eine Weile und schiebe den nächsten Löffel nach. Claudia
schluckt nicht. Ihre Backen werden immer runder. Aber zwischen Rührei, Spinat
und Kartoffelbrei ist noch Platz. Der vierte Löffel - hinein. Nach sechs
Löffeln, Claudia hat noch immer nicht geschluckt, hat sie – wie konnte das nur
passieren? – plötzlich aus heiterem Himmel einen Hustenanfall. Es lohnt sich.
Ich bin voller Spinat. Das Kind ist voller Spinat. Der Tisch, die Stühle, der
Fußboden, überall Spinat. Claudia strahlt, der Mund ist leer. Dafür habe ich
die Nase endgültig voll. Ich lege meine Brille, durch die ich aktuell fast
nichts mehr sehen kann, auf den Tisch. Dann nehme ich das Mädchen aus ihrem
Stuhl, stelle sie vor mich auf den Boden, verpasse ihr einen ordentlichen Klaps
auf den Po, setze sie wieder hin und beginne, den Spinat vom Tisch zurück auf
Claudias Teller zu schieben. Sie ist derartig überrascht, dass sie vergisst zu
brüllen. Noch etwas Kartoffelbrei dazu, dann die
Weitere Kostenlose Bücher