Socken mit Honig
der
Sprache eines Kleinkindes nicht vertraut sind, möchte ich Übersetzerin spielen:
“Claudia beißt den Hund nicht, (sie oder er?) will nur schnuppern.“ Vorsichtig
streckt sie Ben ihre Hand entgegen. Der Hund steht auf, kommt auf Claudia zu
und ist mit ihr nahezu auf Augenhöhe. Mit fester Stimme macht sie nochmal klar:
“Dauda beiß Hund nich, nur nuppern!“ Ben schnuppert kurz an ihrer Hand,
schleckt ihr einmal quer durch das Gesicht – ein Küßchen auf Hundeart - und
legt sich eng neben ihre Beinchen. „Siehst du, der Hund beißt dich nicht. Der
wollte nur schnuppern.“ Inga ist erleichtert, auch Johannes ist beruhigt.
Claudia kommt freudig auf mich zu „Siehtu, Dauda beiß Hund nich, nur nuppern!“
Stolz, ihre Angst überwunden zu haben, rennt sie zurück zu Ben und legt sich
ganz nah zu ihm auf den Rasen. Mein Mann bringt Inga und Johannes zum
Flughafen, Claudia will nicht winken, sie bleibt lieber mit Ben im Garten. Ich
überlege kurz, meine Mutter zu fragen, ob wir Ben mit in den Park nehmen
dürfen, gestehe mir jedoch umgehend ein, dass das Auto schon voll ist und Ben
beim besten Willen nicht mehr mitkommen kann, er ist wie gesagt ein wirklich
großer Hund.
Am Abend grillen wir, meiner Familie und mir schmeckt es
richtig gut. Claudia möchte lieber ihren Milchbrei. Ich versuche, sie mit
Salat, in dem auch Tomaten sind, zu locken. Nein, Dauda will nicht. „Lassa
Dauda Ruh“, – „Lass Claudia in Ruhe“, fordert sie. Auch von dem Baguette möchte
sie nichts. „Lassa Dauda Ruh“, wehrt sie ab. Dabei wurde mir versichert, dass
sie Brötchen und Baguette mag. Ich gebe nach, schließlich will ich, dass sich
das Kind bei uns wohlfühlt, gehe in die Küche und bereite den Milchbrei zu.
Nach dem Essen bringen Julia, meine Tochter, und ich Claudia ins Bett. Sie darf
mit in Julias Zimmer schlafen, wir haben ihr ein Gästebett bereitet. Julia
liest eine Geschichte für Claudia vor, die mit müden Augen auf Emma, dem Bären,
liegt, Paul, das Schäfchen im Arm hat und Klausi, dem Hasen, am Ohr nuckelt. Am
liebsten hätte die Kleine ihren Kopf auf Ben gebettet und nicht auf Emma, aber
in dem Punkt bin ich unnachgiebig, der Hund bleibt draußen. Nachdem auch ich
eine Geschichte vorgelesen habe, schläft Claudia bald ein.
In der Nacht weckt mich meine Tochter. „Claudia hustet die
ganze Zeit. Ich kann nicht schlafen.“ Ich stehe auf, denke bei mir, dass ich
froh bin, dass meine Kinder schon älter sind und ich nachts für sie nicht mehr
aufzustehen brauche, und sehe nach Claudia. Die sitzt inzwischen in Ihrem Bett
und hustet. Ich bringe ihr etwas zu trinken. Sie hustet. Ich bringe
Hustenbonbons. Sie hustet. Ich bringe sie an die frische Luft, natürlich habe
ich ihr zuvor Hausschuhe und einen Bademantel angezogen, sie hustet. Nach mehr
als einer halben Stunde hat sie sich einigermaßen beruhigt. Vorsichtshalber
messe ich ihre Temperatur und stelle fest, dass sie 38,5 °C Fieber hat. Noch
kein Grund sich Sorgen zu machen. Allerdings will Claudia lieber bei mir im
Bett schlafen. Mein Mann muss auf das Sofa im Wohnzimmer ausweichen. Mir fällt
ein, dass Claudia, die immer wieder hustet, nicht geimpft ist, gegen gar
nichts, denn sie hasst den Kinderarzt und Spritzen hasst sie noch mehr. Inga
hatte es nie fertig gebracht, ihre Tochter impfen zu lassen. Ein Alptraum,
Claudia hustet wieder. Und da niest sie auch noch! Gedanklich bin ich schon bei
Keuchhusten angekommen. Irgendwann beruhigt sie sich, wir schlafen beide ein.
Am nächsten Morgen hat das Kind fast 40 °C Fieber, ich weiß,
dass ich einen Arzt für sie brauche. Es ist Samstag, der Notarzt macht in
absoluten Notfällen, wenn es gar nicht mehr anders geht, Hausbesuche, ansonsten
soll ich um 11.00 Uhr hinkommen. Die Familie beschließt, dass mein Mann mit
unseren Kindern zunächst alleine in den Ferienpark fährt, es ist ja nicht weit,
Claudia und ich können jederzeit nachkommen. Ich fahre mit Claudia zum Arzt. Er
stellt glücklicherweise ‚nur‘ eine Bronchitis fest – keinen Keuchhusten,
verschreibt Antibiotikum und ein fiebersenkendes Mittel, rät zu Wadenwickeln
und Bettruhe. Der Ferienpark hat sich bis auf weiteres erledigt. Claudia fühlt
sich krank genug, um im Bett zu bleiben, die Wadenwickel verweigert sie aber
laut brüllend. Mit ganz viel Geduld kann ich sie von der Notwendigkeit
überzeugen, das Antibiotikum zu schlucken. Danach soll sie etwas essen. „Dauda
will Reis-Tomate“, verkündet sie. Ich koche für uns. Reis mit
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