Söhne der Erde 08 - Sucher der Zukunft
wurden, erkannte Lara plötzlich. In der Welt der Vereinigten Planeten war die Gemeinschaft ein abstrakter, übergeordneter Begriff, der seinen drohenden Schatten über das Leben jedes einzelnen warf. Hier war sie der feste Grund, der die Menschen trug und schützte...
Laras Gedanken stockten, als der Gleiter über die roten Ruinen hinwegflog und auf dem Platz mit dem Sonnensymbol landete.
Im Osten dämmerte bereits der Morgen, bald würde es hell zu werden. Auf dem Platz war trotz der frühen Stunde ein knapp Dutzend Menschen versammelt, die den beiden Fahrzeugen gespannt entgegensahen. Lara schluckte. Sie hatte die schlanke Gestalt in dem enganliegenden einteiligen Anzug erkannt: Dunkelblau, die Farbe des Raumhafens.
Helder Kerr konnte nichts von ihrer Ankunft wissen.
War es möglich, daß er dort stand, weil er sich allen Ernst um einen blinden zwölfjährigen Jungen sorgte? Er wirkte verärgert, nicht mehr so kühl und selbstsicher. Lara stieg langsam aus. Sekunden spürte sie seinen Blick wie eine körperliche Berührung. Als sie den Kopf drehte, begegnete sie Katalins bernsteinfarbenen Augen. Augen, die Schmerz und Verwirrung spiegelten und sich rasch abwandten.
»Lara? Du?«
Kerrs Stimme klang tonlos vor Überraschung. Charru lehnte mit verschränkten Armen an dem Jet, das Gesicht verschlossen: Er beobachtete den Marsianer und versuchte, seine eigenen Gefühle unter Kontrolle zu halten. Vor allem jenes unklare, nagende Gefühl, das der Gedanke an Laras offizielle Verlobung in ihm weckte. Was zwischen ihr und Helder Kerr war, mußten sie untereinander ausmachen. Er konnte und wollte sich nicht einmischen. Vor allem, da er tief in seinem Innern immer noch fürchtete, daß sie nicht wirklich wußte, was sie tat, daß sie es eines Tages bereuen würde.
»Was willst du hier?« fragte der Marsianer fast grob.
Lara hob die Schultern. Auch ihr Gesicht hatte sich verschlossen.
»Ich werde bleiben«, sagte sie ruhig.
»Du wirst - was?«
»Hierbleiben. Ich will nicht mehr in Kadnos leben. Und ich will nicht mehr für einen Staat arbeiten, der unschuldige Menschen umbringt und seine Brüder wie Sklaven behandelt.«
Ihre Worte klangen klar und bestimmt in der Stille.
Katalin biß sich auf die Lippen, drehte sich um und ging zu dem kleinen Robin hinüber, dem Ayno gerade beim Aussteigen half. Camelo lächelte leicht, als er den sprachlosen Marsianer betrachtete. Auch Jarlon war sprachlos. Die Art, wie er herumschwang und zu Karstein und den ebenfalls reichlich verdutzten Nordmännern hinübermarschierte, sagte deutlich, was er dachte: derart komplizierte Angelegenheiten sollten die Älteren gefälligst ohne ihn ausmachen.
Kerrs Blick wanderte zu Charru.
»Das dürfen Sie nicht zulassen!« sagte der Marsianer scharf.
»Es ist Laras Entscheidung.«
»Aber...aber ein Blinder sieht doch, daß...«
»Laß uns später darüber reden«, unterbrach ihn Lara energisch. »Ich möchte mir alles anschauen. Und ich möchte die anderen wiedersehen und hören, was inzwischen geschehen ist.«
»Kommen Sie! Hier hinunter!«
Es war Gerinth, der voranging.
Lara folgte ihm, die anderen schlossen sich an: Nur Helder Kerr rührte sich nicht von der Stelle, und Charru lehnte immer noch an der gläsernen Kuppel des Jet.
Das Gesicht des Marsianers war blaß. Er suchte nach Worten. Als er sprach, klang seine Stimme rauh vor unterdrücktem Zorn.
»Das ist nicht fair! Sie ruinieren ihr Leben, Sie...«
» Es ist ihre eigene Entscheidung«, wiederholte Charru.
»Sie muß den Verstand verloren haben. Aber von Ihnen ist es verantwortungslos, verstehen Sie das nicht? Sie setzen ihr Leben aufs Spiel, Sie...«
»Das tue ich nicht. Wir verlassen den Mars, Kerr. Wir haben eine Möglichkeit gefunden, uns zu schützen und auch das Raumschiff wieder startklar zu machen.«
»Ah! Die berühmten Unsichtbaren, wie? Aber lassen wir das jetzt beiseite. Sie können doch nicht ernsthaft daran denken, Lara mitzunehmen, oder?«
»Warum nicht?«
»Weil...weil...«
Kerr verstummte.
Sein Blick bohrte sich in die saphirfarbenen Augen des anderen, die sich jetzt verdunkelt hatten. Warum nicht, wiederholte der Marsianer in Gedanken. Er verstand, warum Lara gekommen war. Und wenn sie dieses Leben wollte - warum dann nicht auf der Erde oder einem anderen Planeten? Sie verlor nicht mehr als das, was sie jetzt schon weggeworfen hatte.
»Sie weiß nicht, was auf sie zukommt«, begann er noch einmal.
»Niemand von uns weiß es. Aber wir wissen, was wir
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