Söhne der Erde 10 - Aufbruch Ins Gestern
Reihe von Daten in einem Computer - und neuem Nachschub für die Organbank.
Lyrrios lag mit geschlossenen Augen auf dem fahrbaren Tisch, reglos wie eine Puppe.
Er glaubte, wieder in der Tempelpyramide unter dem Mondstein zu sein. Er sah den Widerschein der Flammenwände, an denen die Welt endete, und er dachte an die schwarzen Götter, von denen er immer noch nicht wußte, daß sie nur verkleidete marsianische Wachmänner gewesen waren.
Bar Nergal hatte versprochen, daß alles wieder wie früher werden würde. Bar Nergal war der Oberpriester, ihm mußte man gehorchen.
Und der Fürst von Mornag würde sterben.
Lyrrios spürte kaum den Stich der Injektionsnadel, der sein Leben beendete.
Die Erinnerungen verschwammen. Wie in einem letzten Aufbäumen formte sein Hirn noch einmal jenes schreckliche Bild, als der Strahl einer Laserwaffe in den Mondstein schnitt und die Kuppel zusammenbrach. Dann verblaßte auch das, und die Dunkelheit senkte sich über Lyrrios' Geist wie ein Mantel.
*
Mehr als hundert Menschen drängten sich zwischen den roten Felsen der Senke.
Dort, wo die wenigen erbeuteten Fahrzeuge standen, drei Jets und ein plumper Spiralschlitten, hatte eben noch die Luft geflimmert, hatte jenes geheimnisvolle Feld existiert, das die Zeit veränderte, Mensch und Maschine um wenige Sekunden in die Zukunft versetzte und damit den Blicken der Gegenwart entzog. Jetzt war der Zeitkanal zusammengebrochen, denn die unsichtbaren Fremden aus der Sonnenstadt brauchten alle Energie, um die marsianische Armee in einem Feld fernster Vergangenheit zu fangen und den gejagten Terranern noch einmal die Flucht zu ermöglichen.
Charru von Mornag kauerte geduckt auf einem Felsblock und suchte die Umgebung ab.
In dem harten bronzefärbenen Gesicht hatten die zusammengekniffenen Augen das durchdringende Blau von Saphiren. Die Anspannung ließ seinen Körper an federnden Stahl erinnern. Er wußte, die Menschen warteten auf seine Entscheidung. Eine Entscheidung, die schnell fallen mußte, die keine Zeit ließ für lange Beratungen. Das alte Raumschiff, mit dem sie den Mars verlassen wollten, stand startklar am Rande der Garrathon-Berge. Aber jetzt, da der Zeitkanal sie nicht mehr schützte, konnten sie nicht ungesehen den Ring der Wachen durchbrechen. Sofort handeln? Die »Terra« im Kampf erobern? Nein, nicht nüt all den Frauen, Kindern und Alten!
Charru preßte die Lippen zusammen.
Sekundenlang drohten Bitterkeit und Zorn ihn zu überwältigen. Warum ließ man sie nicht ziehen? Was kümmerte es die Marsianer, wenn sein Volk mit der »Terra« zur Erde flog - einer zerstörten, von Wilden bewohnten Welt, auf die niemand Anspruch erhob? Sie wollten nur leben. In Freiheit und Frieden leben - nicht in dem gespenstischen Staat der Vereinigten Planeten, der dem Abgott Sicherheit und Ordnung jede Menschlichkeit geopfert hatte.
Mit einer heftigen Bewegung warf Charru das lange schwarze Haar zurück und glitt wieder von dem Felsen.
Ein paar Krieger warteten am Fuß des Steinblocks, die Fäuste an den Griffen der gegürteten Schwerter. Camelo von Landre, sein Blutsbruder. Gillon und Erein mit den roten Schöpfen und den grünen Augen der Tareth-Sippe. Karstein, der Nordmann, Gerinth, der weißhaarige Älteste der Stämme, Scollon, der für die Tempeltal-Leute sprach. Charrus Blick streifte Lara Nord, die Venusierin, die sich dafür entschieden hatte, mit ihnen zur Erde zu fliegen. Sie stand drüben bei den anderen Frauen, einen Arm um die Schultern des kleinen blinden Robin gelegt. Und noch ein Bürger der Vereinigten Planeten war hier: Helder Kerr, der stellvertretende Raumhafen-Kommandant von Kadnos, den sie entführt hatten, weil sie seine Hilfe brauchten, um die »Terra« zu reparieren.
Jetzt stand er freiwillig auf ihrer Seite.
Viel war geschehen, bis er begriffen hatte, daß kein Staat das Recht besaß, ein ganzes Volk auszurotten: Menschen, die nichts verbrochen hatten und nichts anderes taten, als um ihr Leben und ihre Freiheit zu kämpfen. Kerr hatte die Terraner mit der Technik des alten Raumschiffs vertraut gemacht, hatte Charru und Camelo zu Piloten ausgebildet, hatte die Gesetze seiner Welt gebrochen. Er würde in diese Welt zurückkehren, wenn alles vorbei war - aber er würde nicht mehr der gleiche Mensch sein.
»Was wollen Sie tun, Charru?« fragte er halblaut. »Sie können nicht die »Terra« stürmen...«
»Nicht jetzt, ich weiß. Aber wir dürfen auch nicht zu lange in der Wüste bleiben. Es wird bald hell.
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