Söhne der Erde 13 - Der Tod Am Meer
schüttelte den Kopf und furchte verständnislos die Brauen. Charru bezwang die nagende Unruhe.
»Sieh nach Schaoli, Lara«, sagte er knapp. Und in Shaaras Richtung: »Camelo braucht die genauen Koordinaten für die Landung. Du hast sie doch im Kopf, nicht wahr?«
»Ja, sicher. Aber ich begreife nicht ...«
Sie verschluckte den Rest und wandte sich rasch ab.
Erein hatte sich halb dem langgestreckten Gebäude zugewandt und etwas sagen wollen, jetzt biß er sich stumm auf die Lippen. Von einer Sekunde zur anderen hing die Spannung wie ein greifbares Gewicht in der Luft. Nur Yabu und Yattur spürten nichts davon. Nicht sofort, und auch das war verständlich. Mehr als nur die Wiedersehensfreude hielt sie für Minuten in Bann.
Yattur hatte bis zu diesem Augenblick nicht geahnt, daß der neue Sklave, den die Katzenfrauen für ihre Königin entführt hatten, sein Bruder Yurrai war, und es kostete ihn Mühe, mit dem Schock dieser Neuigkeit fertig zu werden.
Gerinth ließ keinen Blick von dem Beiboot, auf das die beiden jungen Frauen zugingen.
Auch Charru starrte hinüber. Aus schmalen Augen beobachtete er, wie Lara die Luke aufzog, zusammenzuckte - und er ahnte die Wahrheit, noch bevor er ebenfalls das Boot erreichte.
Jarlon und Schaoli waren verschwunden.
Weder im Boot noch auf dem weiten Areal des Raumhafens gab es eine Spur von ihnen. Stumm und erschrocken standen die Menschen vor dem silbernen Fahrzeug. Gerinth fuhr sich mit allen fünf Fingern durch das schlohweiße Haar.
»Wir hätten ihn nicht allein lassen dürfen«, murmelte er.
Charru schüttelte den Kopf. »Jarlon ist erwachsen.«
Aber er wußte selbst, daß das nicht stimmte - nicht in dieser Beziehung, nicht, was Schaoli betraf. Wenn ihr irgendeine Gefahr drohte, war es durchaus möglich, daß Jarlon blind und unüberlegt gehandelt hatte, und Charru wagte sich nicht auszumalen, was das unter Umständen bedeuten konnte.
Von einer Sekunde zur anderen schien sich die beklemmende Kulisse der Ruinenstadt für seine Augen in das Gestalt gewordene Verhängnis zu verwandeln.
*
Nur ein paar Herzschläge lang hatte Jarlon die schwankende Gestalt aus den Augen verloren.
Ein verwitterter Mauerrest entzog sie seinen Blicken. Aber er hörte sie schreien, und dieser zitternde, vor Entsetzen hohe Schrei schien sich wie ein glühender Nagel in sein Gehirn zu bohren.
Das Blut rauschte in seinen Ohren, mischte sich mit dem unnatürlich lauten Fauchen und Quieken, das niemand vergaß, der es einmal gehört hatte. Wieder gellte Schaolis Stimme - und erstarb in einem gräßlichen Lautgemisch, das die Nerven bloßlegte, die Sinne folterte, das nackte Grauen beschwor ...
Keuchend bog Jarlon um die verfallene Mauerecke.
Er sah die Ratten. Geifernde graue Bestien, die sich um die Beute balgten. Mit der ganzen Kraft des Entsetzens, der Wut und Verzweiflung schrie der Junge auf, ein wilder, fast unmenschlicher Schrei, und die Tiere wichen zurück wie von einer unsichtbaren Gewalt getroffen.
Jarlon stolperte und fiel, konnte gerade noch seinen Oberkörper mit der Linken abfangen.
Jetzt verschwendete er keinen Blick mehr an die mutierten Ratten. Ein halbes Hundert davon hätte ihn umlauern können, ohne daß es ihm bewußt geworden wäre. Er starrte Schaoli an. Die tote, zerbrochene Hülle, die einmal Schaoli gewesen war. Das Blut auf den grauen Steinen! Die schrecklichen Wunden, die Augen, in denen der Tod den Ausdruck von Schmerz und Entsetzen für immer festgefroren hatte.
Ein Lidschlag, eine Ewigkeit - die Spanne, die Jarlon brauchte, um die Wahrheit zu erfassen, schien außerhalb jeder Zeit zu liegen.
Seine Rechte umklammerte das Schwert. Er spürte die dünnen, geflochtenen Lederbänder, mit denen der Griff umwickelt war. Er spürte die scharfen Steine unter seinen Knien, er hörte seine eigenen heftigen Atemzüge - er nahm ein Dutzend nebensächlicher Einzelheiten auf, als sammele sein Bewußtsein verzweifelt Bausteine für einen Wall, der es doch nicht vor dem eisigen Entsetzen schützen konnte.
Ein Entsetzen, das langsam kam, lähmend, wie ein schleichendes Gift. Wie das Gift, das Schaolis Geist verwirrt und das sie schließlich getötet hatte.
Erst das wütende Fauchen und Quieken, das unvermittelt wieder anschwoll, ließ Jarlon den Kopf heben.
In einem Winkel seines Hirns wußte er, daß nicht viel mehr als eine Sekunde verstrichen sein konnte. Zehn, zwölf von den mutierten Ratten umlauerten ihn. Hechelnd, mit gebleckten Zähnen, rasend vom Geruch des
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