Söhne der Erde 13 - Der Tod Am Meer
Nergal zögerte keine Sekunde, hinunterzusteigen, und was er sah, verschlug ihm sekundenlang den Atem.
Eine riesige Halle!
Der Widerschein der Lampe fiel auf die silbrig schimmernde Außenhaut von einem halben Dutzend metallener Vögel. Schlanke, spitz zulaufende Pfeile mit dreieckigen Flügeln, auf Rädern stehend - aber selbst Bar Nergal begriff sofort, daß es sich um Fluggeräte handeln mußte.
Atemlos trat er näher heran.
Sein Blick glitt über die leichten, fast zerbrechlich wirkenden Gestänge mit den Rädern, über die durchsichtige Kuppel und das Viereck, in dem er die Einstiegsluke vermutete. Den Öffnungsmechanismus konnte er auf Anhieb nicht erkennen, aber er hatte ohnehin nicht vor, die Geräte eigenhändig zu untersuchen. Mit funkelnden Augen ging er weiter, vorbei an den schimmernden Maschinen, die sich gleich schlafenden Monstern aneinanderreihten, und erreichte schließlich eine zweite Wendeltreppe, die wieder aufwärts führte.
Ohne zu überlegen, kletterte Bar Nergal nach oben.
Er zählte die Stufen nicht. Daß die Treppe über die Keller hinausführte, fiel ihm erst auf, als das rötliche Licht der Dämmerung seine Augen traf. Verwirrt blickte er sich um. Ein zerstörtes Gebäude ohne Dach, mit geborstenen Mauern und trümmerbesätem Boden. Der Oberpreister runzelte die Stirn, als ihm klar wurde, daß er für einen Augenblick die Orientierung verloren hatte. Das Schiff konnte er von diesem Platz aus nicht sehen. Einen Moment lang zögerte er, dann wandte er sich dorthin, wo er jenseits eines Schuttwalls eine Art Straße erkannte, von der er annahm, daß sie zu dem Gelände des Raumhafens führte.
Immer noch war das Schiff nicht zu sehen.
Bar Nergal blieb unsicher stehen - und in der nächsten Sekunde fuhr er wie unter einem Hieb zusammen.
Räder ratterten.
Seltsame, fauchende Laute erfüllten plötzlich die Luft. Bar Nergal warf den Kopf herum und starrte dorthin, wo sich in diesem Augenblick Gestalten aus dem Schatten schälten.
Seltsame, katzenhafte Wesen, auf Riesenratten reitend.
Vier von den Bestien zogen eine Art Thron, auf dem eine Frau saß. Wie gelähmt vor Schrecken blickte Bar Nergal der seltsamen Prozession entgegen. Sekundenlang vermochte er sich einfach nicht zu rühren, und als ihn die Erinnerung an Camelos Warnung durchzuckte, war es zu spät, um davonzulaufen.
Angst krallte sich in Bar Nergals Eingeweide gleich einer Raubtierpranke.
Als die Katzenfrauen von ihren gräßlichen Reittieren glitten, glaubte er, seinem Tod ins Gesicht zu sehen. Die Beine drohten unter ihm nachzugeben. Schon wollte er auf die Knie sinken, um sein Leben flehen - doch die fremden Wesen kamen ihm zuvor.
Versteinert vor Staunen beobachtete er, wie sie sich zu Boden warfen.
Angst klang in den fauchenden Lauten mit, die sie ausstießen. Angst - und etwas wie Ehrfurcht. Die gleiche Ehrfurcht, die in den Augen der Frau auf dem Thron zu lesen stand. Sie war von normaler menschlicher Gestalt, in ein merkwürdiges buntes Gewand gehüllt, von dichten goldblonden Locken wie von einem Umhang umgeben. Hastig erhob sie sich, stieg von ihrem Thronsitz und kam auf den Oberpriester zu.
Auch sie warf sich nieder.
Fassungslos sah Bar Nergal, wie sie den Boden zu seinen Füßen küßte. Ihre Stimme klang hoch vor Erregung. Worte, die aus seiner eigenen Sprache stammten.
»Willkommen, Allmächtiger und Erhabener! Wir, die wir deine Rückkehr erwarteten, grüßen dich. Folge uns, Herr! Nimm deinen Platz auf dem Thron der Götter ein und laß deine unwürdige Dienerin zu deinen Füßen sitzen!«
Bar Nergal brauchte Minuten, um sich zu fassen.
Die angeblich so gefährlichen Kriegerinnen der toten Stadt - vor ihm am Boden! Mutierte Ratten, die sich wie harmlose Haustiere benahmen! Und eine Königin, die ihn als Gott betrachtete - ihn, Bar Nergal!
Das Schiff, dachte er mechanisch.
Sie hatten das Schiff landen gesehen und glaubten, daß die Marsianer - die Götter - zurückgekehrt seien, die irgendwann einmal hier gelandet sein mochten. In den dunklen, tiefliegenden Augen des Oberpriesters begannen Funken zu glimmen. Er war den Katzenwesen als erster begegnet. Ihm würden sie dienen. Er brauchte nur die Hand auszustrecken.
Mit einem tiefen Atemzug straffte er seinen dürren Körper.
»Steh auf!« befahl er. »Ich bin bereit, euch zu folgen. Denn diesmal werden die Götter nicht zu den Sternen zurückfliegen, diesmal werden sie bleiben.«
*
Die Ratten griffen nicht an.
Es schien tatsächlich so, als
Weitere Kostenlose Bücher