Söhne der Erde 17 - Gefangene Der Zeit
herauszufordern. Erein muß noch lernen, sein Temperament zu zügeln. Nimm es ihm nicht übel.«
»Was soll ich ihm nicht übel nehmen? Ich ... naja, ich hab' ihn niedergeschlagen.«
»Du hast was?«
»Ihn niedergeschlagen. Und dann ...« Cris stockte und zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich hat er recht. Es war nicht fair, daß ich ihn gebissen habe. Aber, Gillon ...«
»Du hast ihn gebissen«, wiederholte Gillon andächtig. »Niedergeschlagen und gebissen! Darüber wird er nie hinwegkommen!«
»Bitte, Gillon! Ich war wütend, aber ich weiß, daß Erein und die anderen im Grunde recht haben. Ich hätte das nicht tun dürfen. Nur ...«
»Laß!« sagte der rothaarige Krieger leise. »Ich weiß das alles, ich habe mit Malin darüber gesprochen. Ich hätte längst begreifen müssen, daß sie keine Frau für mich ist und ich kein Mann für sie. Laß es gut sein, so wie es jetzt ist.«
»Dann - haßt du mich nicht?«
»Nein«, sagte Gillon. »Und auf Ereins Meinung brauchst du nichts zu geben. Ihn geht das alles nichts an.« Er zögerte, dann biß er die Zähne zusammen und rang sich dazu durch, offen zu sprechen. »Ich habe Malin geliebt, Cris. Es fällt mir verdammt nicht leicht, auf sie zu verzichten. Aber ich bin fast doppelt so alt wie sie und ich habe mir ständig eingeredet, keine Zeit für sie zu haben, obwohl das einfach nicht stimmte. Selbst Charru hatte diese Zeit - und für ihn war es schwerer als für mich. Irgendwie muß ich wohl schon immer gewußt haben, daß es für mich nicht so lebenswichtig war.«
»Wirklich?« fragte Cris leise.
»Ja, wirklich. Malin und ich haben uns ausgesprochen. Also laß dir keine grauen Haare wachsen.«
»Und ... und es ist wirklich nicht unsere Schuld, daß du ...«
»Nein, verdammt! Es war wirklich nicht eure Schuld, daß sie mich gefangengenommen haben - ganz davon abgesehen, daß es überhaupt keine Rolle spielt.«
»Erein sagt ...«
»Erein geht das alles nichts an. Ich weiß, daß es ganz gut so war, wie es gekommen ist. Also laß uns nicht mehr davon reden.«
»Aye«, sagte Cris nur.
Gillon spürte die Erleichterung des Jungen und versuchte, die eigene Bitterkeit tief in seinem Innern zu verbergen, wo er sie eines Tages vergessen würde.
*
Charru wußte nicht, wie lange er reglos vor dem Leichnam gestanden hatte.
Der nackte, starre Körper verriet, daß er schon mehrere Stunden tot war. Mehrere Stunden ... Und hatte Magner nicht gesagt, daß es schnell ging, die Droge zu gewinnen? Jene unheimliche Droge aus dem Gehirn einer Marionette, die auch andere Menschen in Marionetten verwandeln konnte?
Charru biß die Zähne zusammen, daß es knirschte. Seine Stimme klang rauh und tonlos.
»Weiter! Nach rechts!«
Jarlon unterdrückte ein Stöhnen, aber jetzt blieb einfach keine Zeit mehr, besonders viel Rücksicht auf seine Verletzung zu nehmen. Drei Räume durchquerten sie. Dann blieb Charru abrupt stehen, weil er die Anwesenheit eines Menschen spürte.
»Jon Erec!« stieß Jarlon hervor.
»Jon! Der Flamme sei Dank!«
Charru wurde nicht bewußt, wie unsinnig dieses Stoßgebet war.
Er sah nur den großen, hageren Mann auf dem Stuhl, lief zu ihm und lächelte erleichtert. Jon Erec erwiderte das Lächeln. Aber seine Augen wirkten leer, er zeigte keine Spur von Erregung und ...
Charrus Haltung versteinerte.
Camelo stand bereits neben dem Stuhl und begann, die Schläuche und dünnen Drähte zu lösen, die Jon Erec mit den medizinischen Apparaturen verbanden. Er stöhnte nicht einmal. Er hatte keine Schmerzen, er war äußerlich unverletzt, und doch . . .
»Jon!« sagte Charru leise und eindringlich. »Hörst du mich?«
»Ja«, murmelte der hagere Tempeltal-Mann.
»Was haben sie mit dir gemacht, Jon? Was?«
»Nichts«, kam es verwirrt. »Ich ... weiß nicht ...«
»Erkennst du mich? Weißt du, wo wir hier sind?«
»Du bist der Fürst von Mornag. Wir sind in einer anderen Zeit, in der Vergangenheit. Wir sind gefangen.«
Die Stimme klang leise, gleichmäßig und monoton. Immer noch spielte das leere Lächeln um Jon Erecs Lippen. Das gleiche Lächeln, das auf den Zügen des Mannes gelegen hatte, der jetzt nicht mehr lebte, aus dessen Schädel das Gehirn entnommen worden war, um eine Droge daraus herzustellen.
Charru stöhnte auf.
»Jon!« stieß er hervor. »Um Himmels willen, komm zu dir! Jon Erec!«
»Ja?«
Charru schloß die Augen und öffnete sie wieder. Neben ihm knirschte Jarlon verzweifelt mit den Zähnen. Camelo war es inzwischen gelungen,
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