Söhne der Erde 26 - Neue Heimat Terra
Cann.
»Richtig.«
»Aber das ist nicht alles, oder?«
Jessardin hob überrascht die Brauen. »Woher wollen Sie das wissen?«
Horvat Cann lächelte matt. Jessardin begriff, daß er den Mann immer noch unterschätzt hatte.
»Ich habe mir erlaubt, mich etwas näher mit dem Projekt Mondstein zu befassen«, sagte der stellvertretende Präsident. »Wie Sie wissen, bin ich diesem sogenannten König von Mornag nie begegnet. Trotzdem glaube ich, ein wenig von seiner Denkweise verstanden zu haben. Dazu kommt, daß sich an Bord der »Kadnos« nicht nur Barbaren befinden, sondern zum Beispiel auch Militärexperten vom Range eines Dane Farr.«
»Und was schließen Sie daraus?«
»Daß die »Kadnos«-Besatzung sehr genau weiß, wo wir sie erwarten. Und daß das Schiff deshalb sonstwohin fliegen wird, aber vorläufig sicher nicht zur Venus.«
Der Präsident nickte nur. Seine Finger glitten bereits über eines der Schaltfelder auf seinem Schreibtisch.
»Ich möchte eine Laserfunk-Verbindung zum Uranus«, sagte er hart. »Präsident Simon Jessardin an Generalgouverneur Deborah Jaschin. Dringend ...«
*
In der indirekten Beleuchtung erinnerten die perlmuttschimmernden rosafarbenen Wände an das Innere einer Muschel.
Schalensitze, Schränke und Servoautomaten leuchteten in lebhaften Farben, silberne Borde und Verzierungen setzten Akzente. Das Büro der Kommandantin des sogenannten Delta-Camps bildete eine Oase uranischer Kultur inmitten der trostlosen Umgebung des Straflagers.
Kareen de Winter trug über dem weißen Trikot eine knappe Tunika, die mit ihren irisierenden Regenbogenfarben an die Traditionsgewänder des Uranus erinnerte.
Sie war schön, dachte Beryl von Schun. Schön auf eine perfekte, marmorkalte Art, die nichts Anziehendes für ihn hatte. Der blonde, drahtige Tieflandkrieger straffte sich. Er wußte nicht, warum er hierher zitiert worden war. Er wußte nur, daß es auf jeden Fall nichts Gutes bedeutete.
Kareen de Winter warf ihm einen prüfenden Blick aus kühlen blauen Augen zu.
»Sie sind der Anführer der internierten Barbaren«, stellte sie fest.
Beryl runzelte die Stirn. War er das?
»Nein«, sagte er langsam:
»Und wer ist es dann?«
»Niemand im Augenblick. Sie wissen doch genau, daß der Anführer der Tiefland-Stämme der König von Mornag ist.«
»Aber irgendeine Hierarchie ...«
»Nein«, sagte Beryl. »Ich habe einen gewissen Einfluß, wenn Sie das meinen. Ein paar andere haben den gleichen Einfluß. Aber das wissen Sie sicher aus den Vernehmungen unter Wahrheitsdrogen, oder?«
Die Kommandantin preßte die Lippen zusammen.
Die Vernehmungen hatten ihr über diesen Punkt sehr wenig verraten, weil sie einfach nicht begriff, auf welcher Basis das Zusammenleben der Barbaren funktionierte. Bei den Merkur-Siedlern mit ihrem strikt demokratischen System lagen die Dinge einfacher. Die Barbaren handelten nicht demokratisch. Soweit es die sogenannten Tempeltal-Leute betraf, war die absolute Macht der Priester zerbrochen. Bei den Tiefland-Stämmen gab es keine absolute Macht, sondern nur ein Wahl-Königtum. Aber zum König war jahrhundertelang immer nur der älteste Sohn der Mornag ausgerufen worden. Und wenn auch, wie die Wissenschaftler behaupteten, alle Entscheidungsgewalt in den Händen des Rates lag - dieser Rat hatte stets mit erstaunlicher Konsequenz die Neigung gezeigt, sich geschlossen hinter den jeweiligen Fürsten von Mornag zu stellen.
Kareen de Winter seufzte.
»Wir haben vor kurzem Ihr Waffenlager entdeckt und ausgeräumt«, stellte sie fest. »Ihre Pläne wurden vereitelt, also brauchen wir über diesen Punkt kein Wort mehr zu verlieren. Worum es mir im Augenblick geht, sind die täglichen Querelen. Gestern ein Wachmann, der von einem Eisbrocken im Genick getroffen wurde. Vorgestern stürzte ein Außenposten in eine Spalte, weil ihm jemand ein Bein stellte. Und so weiter, und so weiter! Können Sie mir verraten, was das soll?«
Beryl zog die Schultern hoch.
»Gestern ein Wachmann, der einem sechzig Jahre alten Mann in die Rippen trat, nur weil der zusammenbrach«, sagte er. »Vorgestern ein Wachmann, dem der Appell nicht genügte ...«
»Dem der Appell nicht genügte?«
»Nach Ihren Gesetzen werden Schwerkranke liquidiert, wenn keine Aussicht besteht, ihre Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen«, sagte Beryl bitter. »Der Bursche, der in die Spalte stürzte, hatte bemerkt, daß beim Appell jemand mit verstellter Stimme gemeldet wurde, der schon ein paar Wochen krank war.
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