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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Gedächtnis. Und ich dachte, Locke hätte einen wichtigen Unterschied aufgezeigt.«
    »Ach, Sofie, wäre das nur so!«
    »Weiter!«
    »Locke hielt also – wie auch Descartes und Spinoza – die physische Welt für eine Realität.«
    »Ja?«
    »Und genau das zweifelt Berkeley an, und zwar greift er dafür zu einem konsequenten Empirismus. Er sagt, das Einzige, was existiert, ist das, was wir empfinden. Aber wir empfinden nicht ›Materie‹ oder ›Stoff‹. Wir empfinden die Dinge nicht als handgreifliche ›Dinge‹. Wenn wir voraussetzen, dass das, was wir empfinden, eine dahinterliegende ›Substanz‹ hat, dann ziehen wir voreilige Schlüsse. Wir haben überhaupt keinen erfahrungsmäßigen Beleg für eine solche Behauptung.«
    »Quatsch! Sieh doch nur her!«
    Jetzt schlug Sofie mit der Faust auf den Tisch.
    »Au!«, sagte sie, so hart hatte sie zugeschlagen. »Ist das denn kein Beweis dafür, dass der Tisch ein wirklicher Tisch und sehr wohl Materie oder Stoff ist?«
    »Was hast du gespürt?«
    »Etwas Hartes.«
    »Du hattest eine klare sinnliche Empfindung von etwas Hartem, aber den eigentlichen Stoff im Tisch hast du nicht gespürt. Ebenso kannst du träumen, dass du an etwas Hartes stößt, aber in deinem Traum gibt es ja wohl nichts Hartes?«
    »Im Traum nicht, nein.«
    »Einem Menschen kann außerdem eingeredet werden, dass er alles Mögliche ›spürt‹. Ein Mensch kann hypnotisiert werden und dann Wärme und Kälte spüren, sanfte Liebkosungen und harte Faustschläge.«
    »Aber wenn es nicht der Tisch selber war, was hart war, was hat mich dann dazu gebracht, es zu spüren?«
    »Berkeley glaubte, das sei der Wille oder Geist . Er meinte auch, dass alle unsere Ideen eine Ursache außerhalb unseres Bewusstseins haben, dass diese Ursache aber nicht stofflicher Natur ist. Sie ist, so Berkeley, aus Geist.«
    Sofie kaute nun wieder an ihren Nägeln. Alberto fuhr fort:
    »Berkeley zufolge kann meine Seele Ursache meiner Vorstellungen sein – wie wenn ich träume –, aber nur ein anderer Wille oder Geist kann Ursache der Ideen sein, die unsere materielle Welt ausmachen. Alles kommt von dem Geist, ›der alles in allem wirkt und durch den alles besteht‹, heißt es bei ihm.
    »Und was soll das für ein Geist sein?«
    »Berkeley denkt natürlich an Gott. Er meinte, dass wir sogar behaupten könnten, die Existenz Gottes werde von uns deutlicher empfunden als die irgendeines Menschen.«
    »Steht denn nicht einmal fest, dass wir existieren?«
    »Naja ... alles, was wir sehen und fühlen ist nach Berkeley eine Wirkung der Kraft Gottes. Denn Gott sei sozusagen intim in unserem Bewusstsein anwesend und rufe darin die ganze Vielfalt von Ideen und Empfindungen hervor, der wir ständig ausgesetzt sind. Die ganze Natur um uns herum und unser ganzes Dasein ruhen demnach in Gott. Er ist die einzige Ursache für alles, was existiert.«
    »Ich bin, gelinde gesagt, verblüfft.«
    »›Sein oder Nichtsein‹ ist also nicht die ganze Frage. Die Frage ist auch, was wir sind. Sind wir wirkliche Menschen aus Fleisch und Blut? Besteht unsere Welt aus wirklichen Dingen – oder sind wir nur von Bewusstsein umgeben?«
    Noch einmal fing Sofie an, an ihren Nägeln herumzukauen. Alberto fuhr fort:
    »Denn Berkeley zweifelt nicht nur die stoffliche Wirklichkeit an. Er bezweifelt außerdem, dass Zeit und Raum eine absolute oder selbständige Existenz haben. Auch unser Erleben von Zeit und Raum kann einfach nur in unserem Bewusstsein liegen. Ein oder zwei Wochen für uns brauchen nicht ein oder zwei Wochen für Gott zu sein ...«
    »Du hast gesagt, dass für Berkeley dieser Geist, in dem alles ruht, der christliche Gott ist.«
    »Ja, das habe ich wohl. Aber für uns ...«
    »Ja?«
    »... für uns kann dieser Wille oder Geist, der alles bewirkt, auch Hildes Vater sein.«
    Sofie verstummte. Ihr Gesicht war ein einziges großes Fragezeichen. Und gleichzeitig ging ihr jetzt etwas auf.
    »Glaubst du das?«, fragte sie.
    »Ich kann keine andere Möglichkeit sehen. Das ist vielleicht die einzige mögliche Erklärung für alles, was wir erlebt haben. Ich denke an diverse Karten und Nachrichten, die an allen möglichen Stellen aufgetaucht sind. Ich denke daran, dass Hermes plötzlich redet, und ich denke an meine eigenen unfreiwilligen Versprecher.«
    »Ich ...«
    »Die Vorstellung, dass ich dich Sofie genannt habe, Hilde! Ich habe doch die ganze Zeit gewusst, dass du nicht Sofie heißt.«
    »Was sagst du da? Jetzt drehst du aber endgültig

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