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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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dreht ihm den Hals um.«
    »Pfui Spinne!«
    »Dass Dinge zeitlich aufeinander folgen, bedeutet also nicht notwendigerweise, dass es einen ursächlichen Zusammenhang gibt. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben der Philosophie, die Menschen vor übereilten Schlussfolgerungen zu warnen. Übereilte Schlussfolgerungen können außerdem zu vielen Formen des Aberglaubens führen.«
    »Wie denn das?«
    »Du siehst eine schwarze Katze über die Straße laufen. Etwas später an diesem Tag stolperst du und brichst dir den Arm. Aber das bedeutet nicht, dass es zwischen beiden Ereignissen einen ursächlichen Zusammenhang gibt. Nicht zuletzt in wissenschaftlichen Zusammenhängen ist es wichtig, nicht zu rasche Schlussfolgerungen zu ziehen. Obwohl viele Menschen gesund werden, nachdem sie eine bestimmte Medizin eingenommen haben, heißt das nicht, dass die Medizin sie gesund gemacht hat. Deshalb brauchen wir eine große Kontrollgruppe von Menschen, die glauben, dieselbe Medizin zu erhalten, während sie in Wirklichkeit Mehl mit Wasser bekommen. Wenn auch diese Menschen gesund werden, dann muss es einen dritten Faktor geben, der sie gesund macht – zum Beispiel den Glauben an die Wirksamkeit dieser Medizin.«
    »Ich glaube, langsam verstehe ich, was unter Empirismus zu verstehen ist.«
    »Auch in Bezug auf Ethik und Moral hat Hume gegen das rationalistische Denken opponiert. Die Rationalisten hielten es doch für der menschlichen Vernunft innewohnend, dass sie zwischen Recht und Unrecht unterscheidet. Dieser so genannte Naturrechtsgedanke ist uns bei vielen Philosophen von Sokrates bis Locke begegnet. Aber Hume glaubt nicht, dass die Vernunft bestimmt, was wir sagen und tun.«
    »Sondern was?«
    »Unsere Gefühle . Wenn du beschließt, einem Hilfsbedürftigen zu helfen, dann drängen dich deine Gefühle dazu, nicht deine Vernunft.«
    »Und wenn ich keinen Bock zum Helfen habe?«
    »Auch dann kommt alles auf deine Gefühle an. Es ist weder vernünftig noch unvernünftig, einem Hilfsbedürftigen nicht zu helfen, aber es kann gemein sein.«
    »Aber irgendwo muss es doch sicher eine Grenze geben. Alle wissen , dass es nicht richtig ist, einen anderen Menschen zu töten.«
    »Hume zufolge haben alle Menschen ein Gefühl für das Wohl und Wehe der anderen. Wir haben also eine Fähigkeit zum Mitgefühl. Aber nichts davon hat mit Vernunft zu tun.«
    »Ich weiß nicht, ob ich da so sicher bin.«
    »Es ist nicht immer so unvernünftig, einen anderen Menschen aus dem Weg zu räumen, Sofie. Wenn man irgendetwas erreichen will, kann das sogar eine gute Hilfe sein.«
    »Also echt! Ich protestiere!«
    »Dann kannst du vielleicht versuchen mir zu erklären, warum man keinen störenden Menschen umbringen soll.«
    »Auch der andere Mensch liebt das Leben. Deshalb darfst du ihn nicht umbringen.«
    »Ist das ein logischer Beweis?«
    »Keine Ahnung.«
    »Was du gemacht hast, war, von einem beschreibenden Satz – ›Auch der andere Mensch liebt das Leben‹ – auf einen so genannten richtungsweisenden oder normgebenden Satz – ›Deshalb darfst du ihn nicht umbringen‹ – zu schließen. Rein vernunftmäßig gesehen ist das Unfug. Genauso gut könntest du aus der Tatsache, dass viele Menschen Steuern hinterziehen, folgern, dass du das auch tun solltest. Hume hat klargestellt, dass man niemals von Ist-Sätzen auf Soll-Sätze schließen kann. Dennoch kommt genau das sehr häufig vor – nicht zuletzt in Zeitungsartikeln, Parteiprogrammen und Parlamentsreden. Möchtest du ein paar Beispiele hören?«
    »Gerne.«
    »›Immer mehr Menschen möchten gerne per Flugzeug verreisen. – Deshalb müssen mehr Flugplätze gebaut werden.‹ Findest du diese Schlussfolgerung überzeugend?«
    »Nein, die ist blödsinnig. Wir müssen auch an die Umwelt denken. Ich finde, wir sollten lieber neue Eisenbahnlinien bauen.«
    »Oder es heißt: ›Der Ausbau der Ölfelder wird den Lebensstandard des Landes um zehn Prozent erhöhen. – Deshalb müssen wir möglichst schnell neue Ölfelder erschließen.‹«
    »Unsinn. Auch hier müssen wir an die Umwelt denken. Außerdem ist der Lebensstandard bei uns hoch genug.«
    »Manchmal wird auch gesagt: ›Dieses Gesetz ist vom Parlament beschlossen worden, und deshalb müssen sich alle Bürger des Landes danach richten.‹ Aber es widerstrebt nicht selten der allertiefsten Überzeugung eines Menschen, sich an solche beschlossenen Gesetze halten zu sollen.«
    »Ich verstehe.«
    »Wir haben also festgestellt, dass wir nicht durch

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