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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Philosoph ist. Ein Kind hat nämlich keinerlei vorgefasste Meinungen. Und das, meine gute Sofie, ist die allererste Tugend der Philosophie. Das Kind empfindet die Welt so, wie sie ist, ohne mehr in die Dinge hineinzulegen, als es erlebt.«
    »Es tut mir jedes Mal Leid, wenn ich Vorurteile habe.«
    »Wenn Hume die Macht der Gewohnheit behandelt, dann konzentriert er sich auf das so genannte Kausalgesetz . Dieses Gesetz besagt, dass alles, was geschieht, eine Ursache haben muss. Hume benutzt als Beispiel zwei Billardkugeln. Wenn du eine schwarze Billardkugel gegen eine ruhig liegende weiße rollen lässt, was passiert dann mit der weißen Kugel?«
    »Wenn die schwarze die weiße trifft, dann setzt die weiße Kugel sich in Bewegung.«
    »Ja, und warum macht sie das?«
    »Weil sie von der schwarzen Kugel getroffen worden ist.«
    »In diesem Fall bezeichnen wir den Stoß der schwarzen Kugel zumeist als Ursache dafür, dass die weiße Kugel in Bewegung gesetzt wird. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir etwas nur als ganz sicher bezeichnen dürfen, wenn wir es erfahren haben.«
    »Ich habe das sogar schon oft erfahren. Jorunn hat im Keller einen Billardtisch.«
    »Hume sagt, du hast lediglich erfahren, dass die schwarze Kugel die weiße trifft, und dass die weiße dann über den Tisch kullert. Du hast nicht die Ursache selber dafür erfahren, dass die weiße Kugel rollt. Du hast erfahren, dass ein Ereignis zeitlich auf das andere folgt, aber du hast nicht erfahren, dass das zweite Ereignis aufgrund des ersten geschieht.«
    »Ist das nicht ein bisschen spitzfindig?«
    »Nein, es ist wichtig. Hume betont, dass die Erwartung, dass eines aufs andere folgt, nicht in den Gegenständen selber liegt, sondern in unserem Bewusstsein. Wieder hätte ein kleines Kind nicht weiter die Augen aufgerissen, wenn die eine Kugel die andere getroffen hätte und beide totenstill liegen geblieben wären. Wenn wir von ›Naturgesetzen‹ oder ›Ursache und Wirkung‹ reden, dann reden wir eigentlich von den menschlichen Gewohnheiten und nicht davon, was vernünftig ist. Die Naturgesetze sind weder vernünftig noch unvernünftig, sie sind einfach nur. Die Erwartung, dass die weiße Billardkugel in Bewegung gesetzt wird, wenn die schwarze auf sie auftrifft, ist also nicht angeboren. Wir werden überhaupt ohne Erwartungen, wie die Welt ist oder wie die Dinge auf der Welt sich betragen, geboren. Die Welt ist, wie sie ist, und das erfahren wir nach und nach.«
    »Wieder habe ich das Gefühl, dass das nicht so schrecklich wichtig sein kann.«
    »Es kann wichtig sein, wenn uns unsere Erwartungen zu übereilten Schlüssen verlocken. Hume streitet nicht ab, dass es unwandelbare Naturgesetze gibt, aber da wir die Naturgesetze selber nicht erfahren können, können wir leicht die falschen Schlüsse ziehen.«
    »Kannst du mir ein paar Beispiele nennen?«
    »Dass ich eine Herde von schwarzen Pferden sehe, bedeutet nicht, dass alle Pferde schwarz sind.«
    »Da hast du natürlich Recht.«
    »Und selbst wenn ich mein Leben lang nur schwarze Raben gesehen habe, heißt das nicht, dass es keine weißen Raben gibt. Für einen Philosophen und für einen Wissenschaftler kann es wichtig sein, zu beweisen, dass es keine weißen Raben gibt. Du kannst fast die Jagd nach dem weißen Raben als allerwichtigste Aufgabe der Wissenschaft bezeichnen.«
    »Ich verstehe.«
    »Wenn es um das Verhältnis von Ursache und Wirkung geht, dann stellen sich vielleicht viele den Blitz als Ursache des Donners vor, weil der Donner immer auf den Blitz folgt. Dieses Beispiel ist ja nicht sehr viel anders als das mit den Billardkugeln. Aber ist der Blitz wirklich die Ursache des Donners?«
    »Nicht ganz, eigentlich blitzt und donnert es genau gleichzeitig.«
    »Denn Blitz und Donner sind Folgen einer elektrischen Entladung. Selbst wenn wir immer erleben, dass der Donner auf den Blitz folgt, dann heißt das nicht, dass der Blitz die Ursache des Donners ist. In Wirklichkeit löst ein dritter Faktor beide aus.«
    »Ich verstehe.«
    »Ein Empiriker unseres Jahrhunderts, Bertrand Russell , hat ein etwas groteskeres Beispiel gegeben: Ein Küken, das jeden Tag erlebt, dass es Futter bekommt, wenn der Hühnerzüchter über den Hof gegangen ist, wird schließlich den Schluss ziehen, dass es zwischen dem Gang des Hühnerzüchters über den Hof und dem Futter im Napf einen Zusammenhang gibt.«
    »Aber eines Tages wird es nicht gefüttert?«
    »Eines Tages kommt der Hühnerzüchter über den Hof und

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