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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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nicht ist.«
    »Ich verstehe.«
    »Hegels Vernunft ist also eine dynamische Vernunft. Da die Wirklichkeit von Gegensätzen geprägt ist, muss auch eine Beschreibung der Wirklichkeit widersprüchlich sein. Ich gebe dir auch dafür ein Beispiel: Es heißt, dass der dänische Atomphysiker Niels Bohr über seiner Haustür ein Hufeisen hängen hatte.«
    »Das soll Glück bringen.«
    »Aber es ist ja nur ein Aberglaube und Niels Bohr war wirklich alles andere als abergläubisch. Als er einmal Besuch von einem Freund hatte, meinte das auch dieser Freund. ›Du glaubst doch wohl nicht an so was‹, sagte er. ›Nein‹, antwortete Niels Bohr, ›aber ich habe mir sagen lassen, dass es trotzdem wirkt.‹«
    »Mir fehlen die Worte.«
    »Aber die Antwort war ziemlich dialektisch; manche würden sie sogar als widersprüchlich bezeichnen. Niels Bohr war, wie übrigens auch der norwegische Dichter Vinje , bekannt für seine dialektische Sicht der Welt. Er sagte einmal, es gebe zwei Arten von Wahrheiten, und zwar die oberflächlichen, deren Gegensatz einwandfrei unrichtig sei, aber auch die tiefen, deren Gegensatz genauso richtig sei wie sie selber.«
    »Was könnten das für Wahrheiten sein?«
    »Wenn ich zum Beispiel sage, dass das Leben kurz ist ...«
    »Dann bin ich deiner Meinung.«
    »Aber bei einer anderen Gelegenheit kann ich die Arme ausbreiten und sagen, das Leben sei lang.«
    »Du hast Recht. Irgendwie ist auch das wahr.«
    »Zum Schluss erzähle ich dir noch ein Beispiel dafür, wie eine dialektische Spannung eine spontane Handlung auslösen kann, die zu einer plötzlichen Veränderung führt.«
    »Schieß los!«
    »Stell dir ein kleines Mädchen vor, das immer nur sagt: ›Ja, Mama.‹ – ›Sicher, Mama.‹ – ›Wie du willst, Mama.‹ – ›Ja, das mach ich sofort, Mama!‹«
    »Mir läuft es kalt den Rücken runter.«
    »Eines Tages ärgert sich die Mutter darüber, dass ihre Tochter immer so gehorsam ist, und sie schreit genervt: ›Sei nicht so gehorsam!‹ – Und das Kind antwortet: ›Nein, Mama!‹«
    »Dann würde ich ihr eine semmeln!«
    »Ja, nicht wahr? Aber was würdest du machen, wenn sie stattdessen geantwortet hätte: ›Doch. Ich will aber gehorsam sein.‹«
    »Das wäre eine seltsame Antwort. Vielleicht würde ich ihr auch dann eine semmeln.«
    »Mit anderen Worten, die Situation ist festgefahren. Die dialektische Spannung hat sich so zugespitzt, dass einfach eine Veränderung kommen muss .«
    »Du meinst die Ohrfeige?«
    »Noch einen letzten Charakterzug von Hegels Philosophie müssen wir erwähnen.«
    »Ich bin ganz Ohr.«
    »Du weißt noch, dass wir die Romantiker als Individualisten bezeichnet haben.«
    »Nach innen geht der geheimnisvolle Weg.«
    »Genau dieser Individualismus begegnete in Hegels Philosophie seiner ›Negation‹. Hegel legte nämlich großes Gewicht auf das, was er ›objektive Mächte‹ nannte. Damit meinte er die Familie und den Staat. Du kannst vielleicht sagen, dass Hegel das Individuum dabei nicht ganz aus den Augen verlor; er sah es nur in erster Linie als einen organischen Teil der Gemeinschaft an. Die Vernunft oder der Weltgeist werden für Hegel vor allem im Zusammenspiel der Menschen sichtbar.«
    »Erklären!«
    »Die Vernunft zeigt sich vor allem in der Sprache. Und die Sprache ist etwas, in das wir hineingeboren werden. Die norwegische Sprache kommt sehr gut ohne Herrn Hansen zurecht, aber Herr Hansen kann nicht ohne die norwegische Sprache leben. Nicht das einzelne Individuum schafft die Sprache, sondern die Sprache schafft das einzelne Individuum.«
    »Ja, so kannst du das sagen.«
    »Wie das Individuum in eine Sprache hineingeboren wird, so wird es auch in sein historisches Umfeld hineingeboren. Und niemand hat ein ›freies‹ Verhältnis zu diesem Umfeld. Wer seinen Platz im Staat nicht findet, ist deshalb ein unhistorischer Mensch. Du weißt vielleicht noch, dass dieser Gedanke auch für die großen Philosophen in Athen wichtig war. Der Staat ist ohne Bürger ebenso unvorstellbar wie die Bürger ohne Staat.«
    »Ich verstehe.«
    »Für Hegel ist der Staat ›mehr‹ als der einzelne Bürger. Er ist sogar mehr als die Summe aller Bürger. Hegel hält es für unmöglich, sich aus der Gesellschaft sozusagen abzumelden. Wer über die Gesellschaft, in der er lebt, nur die Achseln zuckt und lieber ›sich selber finden‹ will, ist für ihn ein Narr.«
    »Ich weiß nicht, ob ich ihm da zustimme, aber von mir aus.«
    »Für Hegel findet sich nicht das

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